Kommentar:Meuterei im Team

Der Aufstand im spanischen Frauenfußball-Team zeigt: Leistungssportlerinnen wollen sich nicht mehr amateurhaft trainieren lassen.

Von Kathrin Steinbichler

Silvia Neid musste lachen. Ein Reporter hatte die Bundestrainerin während des WM-Achtelfinales beobachtet und festgestellt, dass sie oft "sehr laut" war und "oft auch ärgerlich" aussah an der Seitenlinie, obwohl ihre Elf das Spiel doch letztlich 4:1 gewann. Warum also der lautstarke und fordernde Einsatz, fragte der Mann anschließend, und Neid blickte amüsiert in die Runde. "Das nennt man auch Coaching", antwortete die 51-Jährige, und außerdem: "Ich bin halt sehr emotional und impulsiv und kann mich während des Spiels schlecht in einen roten Sessel setzen." Vor allem nicht bei dieser siebten Frauenfußball-Weltmeisterschaft.

Die fordert und fördert mehr als alle vorangegangenen Turniere Einsatz und Fachwissen der Trainer. Mit der wachsenden Professionalität der Spielerinnen und der Ligen im Frauenfußball gehören körperliche Fitness und technisches Vermögen längst zur Grundausstattung der Mannschaften. Wer es weit bringen will, kann nicht mehr nur auf seine Durchsetzungskraft oder individuelle Stärken vertrauen, sondern muss dazu auch taktisch einen Plan haben. Und genau das, beschweren sich nun die Spielerinnen der spanischen Nationalelf, hätte ihnen und ihrem Trainer gefehlt.

Mit nur einem Punkt war Spanien schon nach der Vorrunde der WM ausgeschieden. Nur einen Tag später und noch vor dem Rückflug aus Toronto verfassten die Spielerinnen einen offenen Brief, der kurz darauf im Internet landete und bald auch in den spanischen Medien einsehbar war. Alle 23 Fußballerinnen um die Kapitänin Vero Boquete unterzeichneten jene Zeilen, die nichts weniger sind als ein Aufstand. Sie haben einige Forderungen und ein konkretes Ziel: die Entlassung von Spaniens Nationaltrainer Ignacio Quereda.

Die Leistungssportlerinnen wollen sich nicht mehr amateurhaft betreuen lassen

Seit 1988 ist der jetzt 64-Jährige im Amt, vor kurzem noch wurde er dafür gefeiert, dass Spaniens Frauen mit der WM in Kanada erstmals überhaupt ein Titelturnier erreicht haben. Eine rein organisatorische Betreuung einer Mannschaft genügt den Spielerinnen aber längst nicht mehr. "Es hat praktisch keine Testspiele gegeben (das letzte war im April), wir haben uns schlecht akklimatisiert, die Analyse der Gegner und die Vorbereitung auf die Spiele war unzureichend", heißt es in dem Schreiben, das einen Appell enthält: "Wir lassen nicht mehr zu, dass mit unseren Hoffnungen und unseren Bemühungen gespielt wird." Die Leistungssportlerinnen wollen sich nicht mehr amateurhaft betreuen lassen.

Bundestrainerin Neid und ihre Elf haben derartige Probleme nicht, sie gelten bei der Konkurrenz eher als Vorbild. Nachdem sie mit Schweden im Achtelfinale unterlegen war, meinte Schwedens Innenverteidigerin Nilla Fischer: "Heute und die nächsten Tage noch wünsche ich den Deutschen sicher nichts. Aber danach: Alles Glück dieser Welt. Sie hätten es verdient, hier den Titel zu holen." Da kann Neid brüllen, wie sie mag.

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