Kommentar:Mehr Macht

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Johannes Aumüller ist sportpolitischer Korrespondent in Frankfurt. (Foto: sz)

In Köln wollen die deutschen Athleten die Gründung eines neuen Vereins beschließen, um künftig unabhängiger vom DOSB agieren können.

Von Johannes Aumüller

Der Satz klingt toll, aber neu ist er nicht. Es gab den Satz auch schon vor fünf Jahren und vor zehn und vor 20 und sogar schon zu Zeiten von Pierre de Coubertin, dem Erfinder der Olympischen Spiele der Neuzeit. Der Satz heißt: "Im Mittelpunkt steht der Athlet." Das mag in der olympischen Welt nach einer naheliegenden Formulierung klingen - ist aber kein Abbild der Realität. Im Mittelpunkt der Funktionärskaste steht vieles, aber viel zu selten der Athlet mit seinen Sorgen, Wünschen und Zwängen.

Umso mehr lohnt an diesem Wochenende ein Blick nach Köln. Dort wollen die deutschen Athleten auf ihrer Vollversammlung die Gründung eines neuen Vereins beschließen, damit sie sich künftig schlagkräftiger und unabhängiger vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) organisieren können. Es ist noch nicht absehbar, was das genau bedeutet; es ist aber ein klares Signal, dass es die Athleten zu Veränderungen drängt.

Das betrifft zum einen ihre Einfluss-Möglichkeiten. Es ist immer wieder verstörend zu sehen, wie wenig die Athleten zu sagen haben; ja, wie im Gegenteil die Funktionäre oft gegen das Interesse derjenigen handeln, die angeblich im Mittelpunkt stehen. Das zeigte sich stark beim neuen Konzept für den Leistungssport: So sollen etwa die Stützpunkte stärker zentralisiert werden, was manche Athleten dazu zwingt, wegen eines Umzuges ihr Lebensumfeld aufzugeben - oder ihre Karriere zu beenden. Die Athletenvertreter plädierten auch für einen Ausschluss Russlands von den Spielen in Rio de Janeiro aufgrund des dortigen Staatsdopingsystems; Unterstützung vom Dachverband bekamen sie nicht.

Damit einhergehend ist auch die Frage von Belang, wie das Berufsbild eines Leistungssportlers aussehen soll. Der Begriff Sportler kommt in Deutschland oft schief daher, weil es verschiedene Typen gibt. Da sind die Fußballprofis oder Vertreter anderer Sportarten, in denen sich hervorragendes Geld verdienen lässt; da gibt es Förderstellen bei Bundeswehr, Zoll und Polizei sowie in den klassischen olympischen Disziplinen Einzelfälle, die sich und ihre Erfolge richtig zu vermarkten wissen. Aber für viele sogenannte Spitzensportler bedeutet Spitzensport: regelmäßige 60-Stunden-Wochen, nur ein paar Hundert Euro monatliches Einkommen sowie das ständige Risiko, dass sie oder ihre Sportart wegen verpasster Leistungsziele nicht mehr auf dem gleichen Niveau gefördert werden.

Das muss sich ändern. Die Athletenvertreter brachten im Sportausschuss des Bundestages schon mal die Idee eines "Profi-Status des Spitzensportlers" auf. Dazu gehört vorneweg, wer will es ihnen verdenken, der finanzielle Aspekt. Es gibt keinen Schwimmer, Ruderer oder Fechter, der glaubt, mit seinem Sport reich zu werden. Aber bessere Konzepte für ein anständiges Einkommen jetzt und Perspektiven fürs Leben nach der kurzen Karriere im Sport sind dringend notwendig.

Die Sporthilfe-Stiftung, die für die unmittelbare Athleten-Förderung zuständig ist, hat da manch gutes Projekt; aber das reicht nicht aus, und ihre Mittel sind überschaubar. 14,5 Millionen Euro schüttet sie aus, der Etat fußt vor allem auf Zuwendungen der Wirtschaft. Zugleich gibt allein das Bundesinnenministerium derzeit jährlich 167 Millionen Euro für die Strukturen des Spitzensports aus. Künftig sollen es nach Wunsch des DOSB zwischen 30 und 50 Millionen Euro mehr sein. Es wäre an der Zeit zu debattieren, ob von den Geldern des Bundes nicht auch etwas in die unmittelbare Förderung der Athleten fließen kann.

© SZ vom 14.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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