Kommentar:Mehr als eine Freistoßvariante

Die Fußball-Branche wird mit der neuesten Doping-Studie so umgehen wie immer: mit lustigen Worthülsen, denen zufolge Doping nichts bringt.

Von Thomas Kistner

Also, das passt jetzt gar nicht in die neue Bundesliga-Saison. Eine Steroid-Langzeitstudie im europäischen Spitzenfußball, bei der 7,7 Prozent der Profis so auffällige Testosteronwerte aufwiesen, dass es Folgeuntersuchungen gebraucht hätte: Ist das euer Ernst?

Fußball ist doch sauber, oder? Es ist die einzige (und nur ganz zufällig auch profitabelste) Berufssportart des Planeten, die Doping abgeschafft hat. Fast alle Akteure sagen das ja; will man denen Lügen unterstellen? Zweitens: Die Branche testet sich selbst, muss sie es da nicht am besten wissen? Drittens: Wer erinnert sich an den letzten Fall, etwa in der Bundesliga? Na bitte. Und Dopingtests, weiß jedes Kind, sind völlig unbestechlich. Na gut, außer in allen großen Fällen von Lance Armstrong bis Marion Jones, einem Drittel der Leichtathletik-Medaillenhelden seit 2001, in den US-Profiligen - und auch in den vielen Fußball-Dopingfällen der letzten Dekaden. Die flogen oft erst Jahre später auf, durch Geplauder in Biografien oder durch Gerichtsprozesse.

Egal, Fußball ist anders. In Usain-Bolt-Bettwäsche schläft kein Fan; in den Klub-Fanshops sind selbst solche Devotionalien sehr gefragt. Fußball ist Religion, auch für die Medien. Wann gibt es endlich die Liveübertragung aus dem Mannschaftsbus? Stundenlang Helden zugucken, die im Sessel hängen und Musik hören: wow! Ließe sich gut mit den stundenlangen Vorberichten aus Hotels und Flughäfen verbinden. Die gibt es längst.

Do Ping ist im Fußball höchstens der Fachbegriff für eine chinesische Freistoßvariante, die nie praktiziert wird. Flott und locker wird die Branche das Thema jetzt beerdigen, mithilfe all der lustigen Worthülsen, die zuletzt im Frühjahr zu hören waren, als Anabolikalieferungen an Profiklubs in den Achtzigern publik wurde: Do Ping bringt nix im Fußball, der ist dafür zu komplex! Oder der Klassiker: Wer den Ball nicht stoppen kann, dem helfen keine Pillen. Als müssten Profi-Doper die Balltechnik aufpeppen statt ihre Körper für 90 Minuten.

Nachdenklicheren Betrachtern sei gesagt, dass es ist, wie es aussieht: Im bestbezahlten Körpergewerbe der Welt war Doping stets virulent. Auch wenn es seit den Nullerjahren, als Blutdoper wie Eufemiano Fuentes mit Spaniens Eliteklubs in Verbindung gebracht wurden, keine großen Sündenfälle mehr gibt. Spanien fror 2006 alle Akten ein und verweigert sie der Welt-Anti-Doping-Agentur, die heftig darum ringt. Und Fußball, seitdem unter spanischer Dominanz, wird immer rasanter. Wenn nun die Dementi-Maschine einer Milliardenbranche anläuft, deren Profit von den Träumen der Fans abhängt, bleibt eine schlichte Frage im Raum: Stärken hohe Testosteronwerte das Balltalent? Weiterträumen!

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