50+1:Traditionsklubs gehören allen

Fußball - 50+1

Die deutschen Erst- und Zweitligisten haben in einer Versammlung der Deutschen Fußball Liga am Donnerstag die 50+1-Regel gestärkt.

(Foto: dpa)

Die 50+1-Regel mag vor europäischen Gerichten schwer zu verteidigen sein. Doch sie schützt vor Verhältnissen, wie sie in der Welt des AC Mailand herrschen.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Verglichen mit der Telekom-Aktie ist das Papier von Borussia Dortmund ein Rieseninvestment. Verloren haben beide, doch wer einst Telekom gezeichnet hat, als der in Ost und West beliebte "Tatort"-Kommissar Manfred Krug dafür warb, hat sich bis heute nicht von einem Absturz von maximal 100 auf am Freitag 13 Euro erholt. Wer wiederum beim BVB zeichnete, ist seit 2000 nur bis zur Hälfte abgestürzt, von elf auf 5,15 Euro. Volksaktien wurden somit beide nicht. Aber der BVB hat zumindest einen Weg vorgestellt, wie man Anteile am Klub kapitalisieren und trotzdem Herr im eigenen Stadion bleiben kann. Für kleinere Klubs, die Finanzquellen suchen, ist dieser Weg erst recht nicht zu empfehlen, aber es ist einer, der der Zulassungsregel zur Bundesliga entspricht.

Diese Regel - kurz 50 plus 1 - wurde am Donnerstag in einer denkwürdigen Versammlung der Deutschen Fußball Liga (DFL) gestärkt. Denkwürdig deshalb, weil zunächst nur eine Debatte vorgesehen war, ehe es auf Antrag des Zweitligisten FC St. Pauli zum Schwur kam. Denkwürdig auch, weil es in dieser militant diskutierten Frage ein klares Votum gab: Unter den 36 Erst- und Zweitligisten wurden nur vier Ja-Stimmen für die Abschaffung der Regel gezählt, Stimmen, die dem FC Bayern, Leipzig, Heidenheim und Fürth zugerechnet werden. Das ergab am Ende ein 4:21 (zwei Vereine fehlten, es gab neun Enthaltungen) gegen die Abschaffung von 50+1, dieser weltexklusiven Sport-Klausel, mit der die Liga seit Jahrzehnten nicht so schlecht gefahren ist. Sie besagt: Eine Stimme Mehrheit muss immer im Klub bleiben, kein Spekulant soll ihn überfallartig kapern können.

50+1 muss man sich wie eine Verkehrsregel vorstellen: Bis hierhin und nicht weiter!

Dass Dortmund gegen die Abschaffung war, muss nicht verwundern, was soll der BVB noch veräußern? Er hat seine Anteile an der Börse platziert. Dass der FC Bayern dafür stimmte, obwohl er mit 50+1 gut klarzukommen scheint, ist der Tatsache geschuldet, dass der Rekordmeister ein internationales Sponsoren-Portfolio pflegt, vom Flughafen von Katar bis zum Wettbüro. Seine harten Anteile verteilt er ohnehin nur vor der eigenen Haustür. Drei in Bayern präsente Konzerne (Adidas, Allianz, Audi) haben je 8,33 Prozent an der Münchner Fußball-AG teuer erworben - offensiv mitregieren dürfen sie im Revier von Hoeneß und Rummenigge deshalb noch lange nicht.

50+1 muss man sich wie eine Verkehrsregel vorstellen: Bis hierhin und nicht weiter! Frei gehaltene Umgehungsstraßen gibt es dennoch. So dürfen Investoren die Mehrheit halten, sobald sie einen Klub mehr als 20 Jahre lang "ununterbrochen" und "erheblich" gefördert haben, darauf berufen sich Leverkusen (Bayer), Wolfsburg (VW) sowie Hoffenheim (Privatinvestor Dietmar Hopp). RB Leipzig wiederum hat einen kontrovers diskutierten Schleichweg gefunden und sich so als Filiale des Unterhaltungskonzerns Red Bull oben ins Ligageflecht einweben können.

Solche Umwege kommen nun schärfer auf den Prüfstand. Denn die 50+1-Regel mag als Anachronismus erscheinen und vor europäischen Gerichten schwer zu verteidigen sein. Aktuell aber schützt sie vor Verhältnissen, wie sie in der globalisierten Welt des AC Mailand herrschen. Milans Tifosi wissen längst nicht mehr, ob ihr Klub einem Chinesen namens Li Yonghong, dessen Finanziers vom US-Hedgefonds Elliott oder doch noch Alt-Eigner Silvio Berlusconi gehört. Das Beispiel dürfte Mahnung und Auftrag zugleich sein: Ein Sportverein mit Tradition ist keine Firma und kein Disneypark. Er ist eine lokale Sozialstation. Und auch wenn mancher Bundesligist jetzt grübelt, wer ihm künftig das Geld zuschießt, das er doch wieder falsch ausgibt, sollte er eines bedenken: Ein Traditionsklub gehört nicht einem, sondern allen - weil er Kulturgut und Tankstelle für die Seele ist.

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