Kommentar:Löwen in der Manege

Lesezeit: 1 min

Der Welt-Leichtathletikverband versucht, seine inoffizielle Staffel-WM modern zu inszenieren. Ob das den Sport voranbringt, bleibt fraglich. Und im Hintergrund trifft der Präsident die nächste fragwürdige Entscheidung.

Von Johannes Knuth

Die ersten Läufer passierten gerade die Ziellinie, da ging im Nationalstadion von Nassau bereits das Feuerwerk los. Neben der Laufbahn zischten Fontänen empor, zwei Feuerwerfer spuckten Feuer - es war, als würden die 4x100-Meter-Läufer wie Zirkuslöwen durch einen brennenden Ring springen. Der Leichtathletik-Weltverband IAAF war ziemlich stolz auf seine diesjährige Ausgabe der Staffel-WM auf der Karibikinsel, auf das kleine, meist ausverkaufte Stadion, auf das Drumherum. Am vergangenen Wochenende war mehr Lauf-Prominenz vertreten als im Vorjahr. Usain Bolt und Justin Gatlin trafen über die 4x100 Meter aufeinander; Gatlin und die USA gewannen, Bolt mühte sich vergeblich als Schlussläufer, die Jamaikaner hatten ihm zu viel Rückstand aufgebürdet. Das war spannend anzuschauen, auch ohne Pyrotechnik.

Der Leichtathletik mangelt es seit langem an modernen Formaten, auch im manchmal grauen Alltag zwischen Olympia und der WM. Es ist also durchaus charmant, den populären Staffelwettbewerben einen Platz im Kalender freizuräumen. Wobei das wiederum die Frage aufwirft, ob es genügt, das Etikett "WM" auf einen Wettkampf zu kleben und ein paar Knaller zu zünden. Oder ob das Format in der unübersichtlichen Meisterschaftslandschaft zu noch mehr Orientierungslosigkeit führt? Die Staffel-WM ist ja keine offizielle WM, die Fachwelt nennt sie nur so, das klingt schicker.

Es gab am Wochenende zwei Weltrekorde, allerdings in selten ausgetragenen "Medley"-Staffeln mit Distanzen zwischen 400 und 1600 Metern. Und sonst? Verbreitete die IAAF die Botschaft, dass Präsident Lamine Diack mit dem Premierminister erfolgreich Geschenke ausgetauscht habe, abgerundet von einem malerischen Fährausflug. Alles zum Wohle des Sports, versteht sich.

Es waren diese und andere Nachrichten, die von dieser zweiten Staffelmesse übrig blieben. Die IAAF hat die nächste Auflage erneut an Nassau vergeben, ohne Bewerbungsprozess. Staat und Ausrichter übernehmen sämtliche Kosten, das überzeugte die IAAF. Der Chor der Kritiker an diesen Praktiken wird größer und lauter. Zuletzt hatte Diack die WM 2021 ohne Verfahren an Eugene/USA verteilt. Frank Hensel, Generaldirektor des deutschen Verbandes, sprach kürzlich im Deutschlandfunk von Zuständen, die man "allgemein als Korruption in der Weltleichtathletik bezeichnen kann".

Ende August trifft sich die Branche in Peking zur amtlichen WM, das wichtigste Duell werden dann wohl nicht Bolt und Gatlin austragen. Sondern Sebastian Coe und Sergej Bubka, die den scheidenden Präsidenten ersetzen wollen.

© SZ vom 05.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: