Kommentar:Lieber mal langsam

Beim Marathon in London werden es dieses Jahr bis zu 27 Grad. Wegen der erhöhten Temperaturen haben die Veranstalter des am Sonntag ausgetragenen London-Marathons in dieser Woche alle Hobbyläufer gewarnt, ihre Rennstrategie zu überdenken.

Von Joachim Mölter

Der englische Sommer ist diesmal früh gekommen, an diesem Wochenende bricht er über London herein mit Höchsttemperaturen von bis zu 27 Grad. Das sind Engländer nicht gewohnt und Marathonläufer schon gleich gar nicht. Die einen wie die anderen mögen's lieber kühl. Wegen der erhöhten Temperaturen haben die Veranstalter des am Sonntag ausgetragenen London-Marathons in dieser Woche alle Hobbyläufer gewarnt, ihre Rennstrategie zu überdenken. Lieber mal langsamer angehen, lieber mehr Trinkpausen einlegen, lieber später ankommen als gar nicht.

In Großbritannien sind die Bilder noch frisch im Kopf von den Commonwealth Games in der australischen Stadt Gold Coast. Dort brach am vorigen Sonntag der Schotte Callum Hawkins bei ähnlichen Temperaturen zusammen; er lag erst in Führung, sogar bei Kilometer 40 noch deutlich, dann aber auf dem Asphalt, überhitzt, dehydriert. Es dauerte, bis endlich Sanitäter zur Stelle waren. In London haben sie nun vorsichtshalber den medizinischen Hilfsdienst verstärkt. Ein Marathon ist ja immer auch ein Werbemittel - für die Stadt, in der er ausgetragen wird, für das Laufen an und für sich, für Sport und Bewegung generell. Bilder von kollabierten Läufern will keiner sehen.

In London reden alle vom Wetter - nur die besten Läufer nicht

Auf den Bildern, die aus London gefunkt werden, soll lieber eine rüstige Dame zu sehen sein. Ihre Majestät Königin Elisabeth II. wird am Tag nach ihrem 92. Geburtstag erstmals das traditionsreiche Rennen starten, quasi vor ihrer Haustür, vor Schloss Windsor. Die Queen schickt den höchsten Laufadel durch die Straßen der Stadt: den aktuellen Olympiasieger Eliud Kipchoge und den Vorjahressieger Daniel Wanjuri aus Kenia, den Äthiopier Kenenisa Bekele und dessen schnellen Landsmann Guye Adola, alles Läufer, die die 42,195 Kilometer lange Distanz in weniger als 2:04 Stunden bewältigt haben. Dazu kommt der zum Sir geadelte Brite Mo Farah, der sich das auch zutraut nach dem Ende seiner Karriere auf der Bahn.

In London reden gerade alle über das Wetter, nur die besten Marathonläufer nicht - die reden über den Weltrekord, den sie angreifen wollen, die 2:02:57 von Dennis Kimetto (Kenia). Sie merken gar nicht, wie kontraproduktiv das ist in Zeiten des zunehmenden Zweifels: Je schneller das Rennen, desto größer die Skepsis, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Zumal bei so einem Wetter wie am Sonntag: Das lädt eher rüstige Senioren zum Spaziergang ein als Läufer zum Wettrennen.

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