Kommentar:Konfetti und Kabarett

Im Sport ist der Filz so dick, dass es kaum mehr auffällt. Was ist der McLaren-Report über Doping in Russland wert? Nicht mal das Papier.

Von Thomas Kistner

Auf die Frage, was das Internationale Olympische Komitee aus dem McLaren-Report machen will, gibt es eine realistische und eine taktische Antwort. Die realistische lautet: Konfetti.

Für die strategische hat die Anhörung im Bundestag die kommerzielle Bruchlinie im Weltsport aufgezeigt, die der Ringe-Konzern mit frommen Reden zu schließen versucht. Auf der einen Seite professionelle Betrugsbekämpfer wie der kanadische Sportanwalt Richard McLaren und die deutsche Nada-Chefin Andrea Gotzmann; ihnen gegenüber die Rekord-Marketender vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC), die sich - weil die Heimat ihres Chefs Thomas Bach der Schauplatz war? - herbeiließen, persönlich ihre Sprechblasen vorzutragen.

Kreuzbrav an der Seite dieses IOC aber steht, hier sind wir mitten im Problem, die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada. Deren Europa-Direktor Benjamin Cohen drückte erschöpfend seine Freude darüber aus, dass Russlands Doping-Affäre endlich alle "zusammenbringe"; sein Auftritt zeigte in der Nussschale, wie notwendig die - von allen natürlich rituell beschworene - Kernreform der Wada wirklich ist. Denn Substantielles zum Thema beizutragen hatte Cohen: nichts.

Dagegen verblasste sogar, dass zum Doping-Kabarett im Bundestag auch der IOC-Generaldirektor Christophe De Kepper nur einen olympische Hauch von Nichts beitrug. Dass sein Ringe-Clan seit Beginn der Russland-Affäre einen absurd begründeten Kuschelkurs mit Putins Sporthelden fährt? Dass das IOC gern von seiner neuen Whistleblower-Politik erzählt - aber die größte aller Whistleblowerinnen, die russische Kronzeugin Julia Stepanowa, von den Rio-Spielen 2016 aus ethischen Gründen verbannt hatte?

Nichts dazu. Nur ausweichen, taktieren: Die Kunst des früheren Fechters und Wirtschaftsberaters Bach an der IOC-Spitze hat sich zur Organisationspolitik verfestigt. Und so beschwor De Kepper einerseits die angeblichen Reformbemühen des IOC um eine "unabhängigere" Wada - und rühmte zugleich, dass nicht nur ein, sondern gleich zwei IOC-Stäbe mit der Russland-Frage beauftragt worden seien.

Im Sport ist der Filz so dick, dass es kaum mehr auffällt. Schon gar nicht so systemtreuen Kontrolleuren wie denen von der Wada, die sogar ihren Vorsitzenden Craig Reedie aus dem IOC-Vorstand zugewiesen bekamen. Da passt ins Bild, dass der gesellige Wada-Mann Cohen noch weniger als der glatte IOC-General verbergen konnte, um was es wirklich geht bei der Nachbereitung der Russland-Causa: Wichtig ist angesichts der nahen Olympischen Winterspiele 2018 in Südkorea nicht der Faktor Wahrheit, sondern der Faktor Zeit. Wie kriegen wir genug russische Athleten nach Pyeongchang?

In Berlin hat Ermittler McLaren gefragt, ob es im Sport überhaupt einen "Willen zur Aufklärung" gebe. Und keinen Zweifel gelassen, dass die Frage für ihn nur noch eine rhetorische ist.

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