Kommentar:Kinder, Kühe und Bälle

Aumüller

Johannes Aumüller ist sportpolitischer Korrespondent in Frankfurt.

Dass Reinhard Grindel trotz vielfältiger Kritik der Favorit für die DFB-Präsidentschaft ist, sagt einiges aus über den Machtmenschen Grindel. Und über den Zustand des deutschen Fußballs sowie seines Funktionärstums.

Von Johannes Aumüller

Herr Grindel lässt sich von Mitarbeitern anhimmeln; und er spaziert mit Gattin durchs Grüne. Herr Grindel geht in den Kindergarten und zur Feuerwehr, zum Schuhmacher und in den Kuhstall und auf den Sportplatz sowieso. Herr Grindel tut noch allerlei andere Dinge im schönen Rotenburger Land, während im Hintergrund niedersächsischer Musikschmalz tröpfelt. "Meine Arbeit im Wahlkreis", heißt das Filmchen, über das sich das Internet gerade köstlich amüsiert. Schon manches Mitglied des Bundestages hat derlei Wahlkampf-Klamauk über sich drehen lassen, aber das Werk des früheren Journalisten Reinhard Grindel ist verglichen mit den Beiträgen der Kollegen noch immer Kitsch-Preis-verdächtig. Auch sind gerade Kinder, Kühe und Bälle, die sich im Video tätscheln, streicheln, treten lassen müssen, von besonderem nationalen Interesse.

Es ist bemerkenswert: Er ist noch nicht im Amt, schon steht er in der Kritik

Reinhard Grindel möchte künftig den Deutschen Fußball-Bund (DFB) anführen. Und nicht erst seit Verbreitung des Videos fragen sich alle: Ist der bisherige Schatzmeister des Verbandes und CDU-Parlamentarier wirklich derjenige, der den deutschen Fußball aus seiner großen Krise führen kann?

Es ist bemerkenswert: Grindel ist noch nicht im Amt, schon steht er in der Kritik. Weil es aus seiner politischen Vergangenheit manchen zweifelhaften Beitrag gibt. Weil er DFB-Ehrenamt und die Arbeit im Sportausschuss des Bundestages vermengte. Weil es einen heiklen DFB-Brief über eine angebliche Vereinbarung mit Grindel gibt, nach der sich dieser nur zu bestimmten politischen Arbeitsfeldern äußern darf. Weil der Kandidat bisher kaum eine sportpolitische Debatte geprägt hat. Weil er im Fußball kaum bekannt ist, weder in der Liga noch auf Dorfplätzen, die nicht im Wahlkreis Rotenburg liegen. Aus dem Fußball ergibt sich gerade ein eindeutiges Stimmungsbild.

Dies hat, nebenbei, für Grindel den Vorteil, dass er die Erwartungen kaum noch unterbieten könnte, falls er gewählt wird; die Konstellation hat in der Politik schon manchem genutzt. Aber dass er nun trotz vielfältiger Kritik der Favorit und Kandidat des Amateurlagers ist, sagt einiges aus über den Machtmenschen Grindel. Und über den Zustand des deutschen Fußballs sowie seines Funktionärstums.

Der Profibetrieb schießt gegen Grindel, findet aber keinen eigenen Kandidaten

Es gibt kein ewig gültiges Stellenprofil für den Job des DFB-Präsidenten. In den vergangenen zwei Dekaden haben unterschiedliche Typen wie der Fußballfan Niersbach, der Gesellschaftspolitiker Zwanziger, Gutsherr Mayer-Vorfelder und "Pater" Braun den Verband geführt. Aber gerade in der Krise ist der Anforderungskatalog lang. Es braucht einen, der Integrität und Seriosität ausstrahlt und für neue Transparenz steht, einen mit großer Unabhängigkeit, der zudem die Fußballszene in den höheren und niederen Etagen gut kennt. Jemanden wie . . .? Es ist bezeichnend, dass sich für diese Stelle kaum ein konkreter Name finden lässt. Und das gilt gerade auch für den Profibetrieb, der so gerne gegen Grindel schießt.

So hätte es für viele Charme, wenn die aktuelle Interimsspitze aus Liga-Boss Reinhard Rauball und DFB-Vize Rainer Koch ihre Arbeit einfach fortsetzt; sie haben die Krise und die Terrortage im Wesentlichen gut moderiert. Aber wahrscheinlicher ist, dass sich die Nation bald auf das nächste Video freuen kann. Herr Grindel mit den Chefs von Fifa und Uefa, Herr Grindel auf den Bolzplätzen der Nation und im Diskurs mit Fans; vielleicht auch mal auf dem Weg ins Hinterzimmer.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: