Kommentar:Kein Frieden hinterm Zaun

Die Solidarität zwischen Kölner und Gladbacher Ultras vor dem Rhein-Derby richtet sich gegen den DFB - der gilt als "Feind der Fankultur".

Von Philipp Selldorf

Während der Begegnung zwischen dem 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach - traditioneller Höhepunkt im Spielplan der beiden Klubs und ihrer Sympathisanten - werden am Samstag einzelne Abschnitte der Tribünen leer bleiben. Das liegt nicht am mangelnden Interesse im rheinischen Volk, sondern an der Weigerung vieler Gladbacher Anhänger, das Kölner Stadion zu betreten. Sie fühlen sich ungerecht behandelt, weil der DFB im Zuge von Sicherheitsauflagen von ihnen verlangt, personalisierte Einlasskarten zu erwerben, nur nach namentlicher Registrierung dürfen sie ins Stadion. Und nun hat die Borussia 1800 Karten aus ihrem Kontingent zurückgeschickt an den FC, der die Tickets jedoch nicht auf dem freien Markt verkaufen darf.

Diese Nachricht hat aus Kölner Sicht viel Gutes: Der FC darf sich freuen, dass der Gegner weniger Hilfe von außen erhält; und die örtliche Polizei muss sich plötzlich viel weniger Sorgen machen als üblich. Aber ganz so einfach ist die Welt der Fußballfans dann doch nicht. Der harte Kern der Kölner Anhänger, vornehmlich aus dem Lager der Ultras, hat entschieden, die Proteste der Gladbacher zu unterstützen, weshalb man aus Mitgefühl mit den angeblich unterdrückten Borussen auf Zaunfahnen, Choreografie und "Support" verzichten will.

Wenn Kölner Fundamentalisten sich mit Gladbacher Fundamentalisten solidarisieren, ist das dann nicht ein Zeichen, dass Frieden auf Erden doch möglich ist? Ist es nicht, darauf legen beide Parteien Wert. Der gemeinsame Protest habe nichts mit Fraternisierung zu tun, sondern richte sich gegen den gemeinsamen Gegner DFB als "Feind der Fankultur". Weshalb die Polizeipräsidenten ihre Leute auch nicht ins freie Wochenende schicken- sie befürchten, dass sich die Konfrontation der verbissenen Fraktionen an Schauplätze außerhalb des Stadions verlagern könnte. Auch die Führung des 1. FC Köln zeigte sich berührt, Manager Jörg Schmadtke bezeichnete das Verhalten der eigenen Anhänger als "massivst albern", auf diese Weise werde die Mannschaft "im Stich gelassen".

Das Adjektiv albern hat Schmadtke gut gewählt. Aber dass die Mannschaft ernsthaft daran leiden müsste, wenn ein paar Fahnen weniger wehen und kein Vorsänger mit Megafon die Menge animiert, ist ein falsches Kompliment an die selbstgerechten Ultras, die sich für die einzig wahren Stimmungskanonen im Stadion halten. 48 000 Kölner (und Gladbacher) werden am Samstag schon von sich hören lassen, wenn das Spiel entsprechend Laune macht.

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