Kommentar:In der Randsportart-Falle

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Jürgen Klinsmann hat als Technischer Direktor des US-Fußballverbandes tapfer gegen die Dominanz der anderen Sportarten gekämpft. Doch er scheiterte auch daran, dass die Amerikaner die populärste Disziplin der Welt weiterhin wie eine Randsportart behandeln.

Von Jürgen Schmieder

Brad Guzan, Timothy Chandler, Omar Gonzalez, John Brooks, Matt Besler, Fabian Johnson, Michael Bradley, Jermaine Jones, Christian Pulisic, Jozy Altidore, Bobby Wood. Wer sich für Fußball und insbesondere die deutsche Bundesliga interessiert, dem dürften einige Namen aus dieser US-Elf geläufig sein. Es sind allesamt talentierte Kicker, die auf eine glänzende Zukunft hoffen oder auf eine glanzvolle Vergangenheit zurückblicken dürfen. Keiner dieser Akteure jedoch, die beim 0:4 in Costa Rica die Startelf bildeten, darf in der Gegenwart das Prädikat "Weltklasse" führen.

Dieser Begriff gehört zum amerikanischen (Sport-)Selbstverständnis: Sie nennen das siegreiche Team in den prägenden Profiligen "World Champion", sie erwarten bei Olympia so viele Medaillen wie alle anderen Nationen zusammen, und sie wollen nun endlich auch bei der populärsten Sportart ganz vorne dabei sein. Als Jürgen Klinsmann vor der WM 2014 die Chancen der US-Nationalelf als eher gering einstufte, wurde er als unpatriotischer Pessimist beschimpft.

Fußball ist während dieser WM zu einem Spektakel geworden, bei dem die Amerikaner ihrer Liebe zur Nation frönen durften wie sonst nur am Unabhängigkeitstag. Sie versammeln sich bei Länderspielen und brüllen: "I believe that we will win!" Nach Niederlagen gegen Nationen wie Belgien (im Achtelfinale der WM 2014), nach Lehrstunden gegen Argentinien (0:4 bei der Copa América 2016) oder nach Blamagen gegen Costa Rica (0:4 in der vergangenen Woche), da fragen diese Fans, die optimistisch an einen Sieg geglaubt hatten: Sollte eine Nationalelf, die zu den Besten der Welt gehören möchte, nicht auch ein paar Weltklassespieler auf dem Spielfeld haben?

Klinsmann war als oberster Fußballlehrer des Landes verantwortlich für diese Ergebnisse, die wahren Gründe für die langsame Entwicklung jedoch liegen viel tiefer und außerhalb des Einflussbereichs des Nationaltrainers. Nach einer WM wird Fußball in den USA für knapp vier Jahre wieder zur Randsportart. Die sportliche Ausbildung von Jugendlichen findet meist nicht in Vereinen statt, sondern in Schulen. Dort dominieren nach wie vor traditionelle US-Sportarten wie Football, Baseball und Basketball sowie olympische Kerndisziplinen wie Schwimmen oder Leichtathletik, die hauptamtlichen Trainer in diesen Disziplinen sind meist ehemalige Profis. Fußball? Gibt es auch. Der Trainer hat selbst nicht gespielt, aber immerhin einen Online-Kurs absolviert. Ja, es ist bisweilen wirklich so schlimm. Warum also sollte sich ein talentierter Teenager da für Fußball entscheiden?

Jürgen Klinsmann hat als Technischer Direktor des Verbandes tapfer gegen die Dominanz der anderen Sportarten gekämpft, die heimische Fußball-Liga MLS versucht ebenfalls, Jugendliche über Vereinsprogramme an den Fußball zu binden. Diese Maßnahmen aber brauchen Zeit. Was die Amerikaner, die so gerne an einen Sieg ihrer Nationalelf glauben, aus den vergangenen fünf Jahren lernen sollten: Sie können die populärste Disziplin der Welt nicht wie eine Randsportart behandeln und trotzdem erwarten, Weltklasse darin zu sein.

© SZ vom 23.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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