Kommentar:Image-Politur am Rhein

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Der erste Etappe der Tour de France im Radsport findet 2017 in Düsseldorf statt. Angesichts enttäuschter Olympia- und Ryder-Cup-Hoffnungen ist diese Vergabe auch ein Trostpflaster für die deutsche Sportlandschaft - wenn auch ein teures.

Von Ulrich Hartmann

An dem Tag, an dem die Stadt Düsseldorf den Zuschlag für den Prolog der Tour de France 2017 bekam, hätten Radsportler in der Stadt keine Freude gehabt. In dem von Autos verstopften Zentrum gerieten am Dienstag gestresste Verkehrsteilnehmer allenthalben in Streit, kurz vor Heiligabend drängten viele in die City, es ging chaotisch zu. Das hat Weihnachten mit Sportereignissen wie der Tour de France gemeinsam: Bis zum Start herrscht Tohuwabohu, es wird gestritten und viel Geld ausgegeben in der Hoffnung, dass nachher keiner mault.

Dass die kostspielige Ausrichtung großer Sport-Events umstritten ist - zumal in Zeiten von andauernden Manipulations- und Korruptions-Nachrichten -, hat im November auch die Abstimmung im Düsseldorfer Stadtrat gezeigt. Mit 40:39 Stimmen entschied sich Nordrhein-Westfalens Hauptstadt gewissermaßen in einem Foto-Finish für die Bewerbung um den Tour-Start. Die SPD als stärkste Kraft im Rathaus muss damit leben, dass ihr der Erfolg nur mit Hilfe eines kleinen rechten Lagers aus AfD und Republikanern gelang. Oberbürgermeister Thomas Geisel ist trotzdem beseelt vom Gedanken, "Düsseldorf in der ganzen Welt als sympathische Stadt für Sportler und Radfahrer" zu promoten. Der Zweck heiligt die Mittel.

Nun bereitet das Geschenk zunächst aber vor allem Sorgen und Ärger. Mindestens elf Millionen Euro erfordert das viertägige Spektakel Anfang Juli 2017 mit Teampräsentation, öffentlichem Training, Zeitfahren und dem Start zur ersten Etappe. Allein die Lizenz kostet vier Millionen. Mehr als sechs Millionen Euro muss die Stadt bis 2017 noch finanzieren. Mögliche Sparmaßnahmen, die in sozialen und kulturellen Ressorts anstehen könnten, wird man ihr um die Ohren hauen mit Verweis auf die großzügigen Ausgaben für sowieso schon verhätschelte Radprofis.

Rasen diese freilich erst einmal schneidig am Rhein entlang und über die mondäne Königsallee zurück, dürften Hunderttausenden von Zuschauern die Stadtfinanzen und die Blutwerte der Athleten womöglich einerlei sein. Der "ökonomische Effekt" für Düsseldorf durch Buchungen in Hotels und der Gastronomie soll sich auf mehr als 57 Millionen Euro belaufen.

Und so ist der Tour-Prolog 2017 am Rhein angesichts enttäuschter deutscher Olympia- und Ryder-Cup-Hoffnungen auch ein Trostpflaster und trotz aller Skepsis eine dreifache Chance: für den heimischen Radsport zur Politur seines angekratzten Images; für Düsseldorf zur Renovierung seines Selbstbildes als stolze Sportstadt; und für die Einheimischen zur Demonstration von Gastfreundschaft, Herzlichkeit und Begeisterung.

Das ist 2006 beim Fußball schon einmal gelungen und ist - wenn auch nur für vier Tage im Juli - vielleicht so dringend nötig wie lange nicht mehr.

© SZ vom 23.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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