Kommentar:Hitzfeld, Magath und ihr schweres Rennen als lahme Enten

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Noch sind die Motive nur schemenhaft zu erkennen, die Ottmar Hitzfeld dazu bewogen haben, am vergangenen Freitag vor der Presse einen Rekordversuch anzukünden: die längste Scheidungsphase in der Geschichte der Fußball-Bundesliga. 14 Monate lang soll sie dauern, die schleichende Trennung vom FC Bayern, und sollte es wirklich gelingen, vertragsgetreu erst im Juni 2005 auseinander zu gehen, hätte dies Vorbildcharakter und einen Eintrag im Guinness-Buch der Kuriositäten verdient. Widerspricht doch das Experiment, auf das sich Hitzfeld und der FC Bayern angeblich eingelassen haben, dem Kern eines klassischen Arbeitsverhältnisses zwischen Trainer und Verein. Das ist durch Einvernehmlichkeit, Bedingungslosigkeit und gemeinsame Ziele definiert - die Beteiligten würden also bewusst ins fachliche Risiko gehen, würden sie es jetzt ganz anders versuchen wollen. Die Letzten, die in der Bundesliga ein ähnliches Wagnis eingingen, waren die Berliner Herthaner, als sie im Herbst 2001 den Abschied von ihrem Aufstiegstrainer Jürgen Röber für den folgenden Sommer ankündigten. Im Frühjahr 2002 musste Falko Götz als Nothelfer ran.

Mögen Röber und Hitzfeld, Hertha und Bayern auch kaum vergleichbar sein, gemein ist beiden Fällen das Motiv: ein sauberer Schnitt, ein Abschied, bei dem niemand Gesicht und Renommee und vielleicht auch viel Geld verliert. Solche Abschiede, mögen sie noch so rührig inszeniert sein, haben ja stets auch einen pekuniären Hintergrund - es gibt wie in jedem Ehevertrag Klauseln und Kleingedrucktes.

Daran fühlt sich Bayern-Manager Uli Hoeneß gebunden, es ist mehr als ein Lippenbekenntnis, wenn er darauf beharrt, Hitzfelds Kontrakt bis 2005 ausleben zu wollen. Er tut dies jedoch in Kenntnis der Tatsache, dass die Beziehung erst einmal das dramatische Saisonfinale, das Heimspiel am Samstag gegen Werder Bremen, sowie die folgende Auswärtspartie beim VfB Stuttgart ohne weiteren Schaden überstehen muss. Und dass in dieser Phase vielleicht der VfB Bereitschaft signalisiert, Felix Magath schon im Sommer 2004 ziehen zu lassen. Für Sommer 2005 darf der Transfer Magath für Hitzfeld ohnehin als fest verabredet gelten. Warum also die Sache nicht vorziehen, statt in der nächsten Saison zwei Spitzenklubs mit Führungskräften auf Zeit (engl. lame ducks = lahme Enten) zu beschweren?

Weil all dies im Fluss zu sein scheint, hat Hitzfeld am Freitag sein persönliches Langzeit-Finale in München angekündigt. Das war kein emotionaler Akt, nicht von ihm, dem Mathematiker und Champions-League-Strategen. Nun hat er wieder die Option des Handelns, ist nicht mehr abhängig davon, ob in der Bayern-Troika Franz Beckenbauer oder Karl-Heinz Rummenigge womöglich einem anderen Plan als Hoeneß folgen. Er kann die guten von den schlechten Angeboten trennen, und bei der EM im Juni in Portugal abwarten, was sich ergibt aus deren Verlauf. Für DFB-Teamchef Rudi Völler wird der Name Hitzfeld in den Gruppenspielen gegen die Niederlande, Tschechien und Lettland ein ständiger, lästiger Begleiter sein. Denn Hitzfeld ist frei. Er ist auf dem Markt. Offen nur noch, ob die Trennung über kurz oder lang erfolgt.

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