Kommentar:Handball ohne Lemminge

Blackout im Kernmarkt: Warum genau die Handball-WM nicht im deutschen TV läuft, ist im Dschungel globaler Schuldzuweisungen kaum zu klären. Klar ist aber: Neues Publikum erreicht die Nationalsportart im Internet ganz bestimmt nicht.

Von Klaus Hoeltzenbein

Recht mühsam ruckelt sie sich zurecht, diese seltsame neue Handball-Welt. Wer sich am Freitag für den deutschen WM-Auftakt gegen Ungarn interessierte, musste nach dem 1:1 einen mehr als 15-minütigen Bildausfall erdulden. Und wer sich am Montag für einen im Programm versprochenen Skandinavien-Kracher begeistern wollte, bekam zunächst die Kroaten präsentiert, allerdings mit dem Hinweis in der Unterzeile, dass eigentlich Dänemark gegen Schweden zu sehen sein sollte. Nach einer Weile fiel die Fehlschaltung auf, per Knopfdruck wurde das Bild getauscht.

Das alles passiert gerade in einer germanischen Kernsportart - die beim Europameisterschafts-Triumph 2016 noch bei ARD und ZDF zu Hause war. Nun ist der Handball in ein neues Medien-Experiment eingebettet: Wer die WM live sehen will, muss ins Internet. Nicht etwa auf eine Sportseite, sondern auf die Seite eines Geldinstituts. Von der Deutschen Kreditbank (DKB) wird er auf einen Youtube-Kanal überführt. Auf dem blinkt auch mal "Das Video ist nicht verfügbar" auf, wie Freitag nach dem 1:1.

Warum es jetzt so ist, wie es ist, ist im Dschungel globaler Schuldzuweisungen kaum zu klären. Klar ist: Der Handball-Weltverband IHF wollte seine WM-Einnahmen maximieren und vergab die Bildrechte an einen Händler aus Katar (Be In Sports). Längst makeln viele Sport-Verbände ihre Rechte nicht mehr selbst, die Gründe sind vielschichtig: Die Millionen werden fix eingelagert, der Ärger flugs an Experten ausgelagert; die Geldflüsse sind oft unergründlich. Als Be In Sports den Zuschlag erhielt, trat auch der Deutsche Handballbund nicht in Opposition, er versäumte zudem, auf eine verbindliche, breite Übertragungsgarantie für seinen Heimatmarkt zu drängen. Nun ist da ein Kuriosum: Ausgerechnet im lukrativsten Handball-Land des Planeten, das die weltstärkste Liga beherbergt, bleibt der TV-Schirm schwarz.

Das Opfer ist die Sportart selbst, die da verhökert wird. Die WM schauen auf dem Computer nur jene, die suchen, um die WM zu finden. Niemand zappt mehr im Vorabendprogramm mit der Fernbedienung vorbei und bleibt bei den Handballern hängen. Dabei war gerade dies der Lemming-Effekt, der dieser Sportart im Turnierverlauf zu Image und Quote verhalf. 2007 zum Beispiel, als der WM-Finalsieg der Heiner-Brand-Germanen (16,6 Millionen Zuschauer) vor einem Henry-Maske-Boxkampf (16,07) und einem Fußball-Länderspiel (13,21) die Sportsendung des Jahres war.

Am Dienstag um 18.00 Uhr spielten die Handballer im Internet-Forum ihrer Kreditbank gegen Saudi-Arabien. Die ARD zeigte zeitgleich ein Quiz. Das ZDF ein Boulevardmagazin: "Leute heute".

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