Bundesliga:Mit Gisdol lässt sich eine Geschichte erzählen

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Markus Gisdol, hier noch in der Arbeitskleidung seines früheren Vereins Hoffenheim, wird wohl beim HSV anheuern. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Es wirkte beinahe so, als würden sich HSV und Werder Bremen eine Art Wettbieten um Trainer Markus Gisdol liefern - mit dem besseren Ende für Hamburg. Warum Gisdol? Weil er für etwas steht.

Kommentar von Christof Kneer

Als Trainer in Hoffenheim hat Markus Gisdol in 96 Spielen im Durchschnitt 1,34 Punkte geholt. Das ist eine abstrakte Zahl, deren Wert man nur abschätzen kann, wenn man sie mit anderen abstrakten Zahlen vergleicht. Als Trainer von Hoffenheims Amateur-Elf hatte Gisdol zuvor 1,95 Punkte pro Spiel geholt und wiederum davor in seiner Zeit in Ulm 1,56 Punkte. Wer hieraus immer noch nicht ableiten kann, ob Gisdol ein guter oder schlechter Trainer ist, dem seien als vergleichende Lektüre die technischen Daten von Bruno Labbadia beigelegt. Für Labbadia stehen in der nun abgelaufenen HSV-Zeit nur 1,20 Punkte zu Buche, allerdings war Labbadia früher auch schon mal Trainer beim HSV, und da schaffte er 1,60 Punkte.

So. Und was heißt das jetzt?

Das heißt, dass es am Ende auch Geschmackssache ist, ob man Gisdol oder Labbadia für den tauglicheren Trainer hält. Gisdol zum Beispiel war eine Weile raus aus dem Geschäft, doch wer am Wochenende die Stimmungslage in der Republik sondierte, der konnte den Eindruck gewinnen, dass der Norden nur noch vom Süden gerettet werden kann: Sowohl der HSV als auch Werder Bremen hatten ihr Interesse am Schwaben Gisdol bekundet, eine Weile wirkte es gar, als sei eine Art Wettbieten im Gange. Das ist legitim, wirft aber auch die Frage auf: Warum eigentlich Gisdol?

Antwort: Weil Gisdol immerhin für etwas steht. Der neue HSV-Trainer ist ein Schüler des Backnanger Bildungssystems, er hängt der Rangnick-Lehre des zackigen Umschaltfußballs an, und unabhängig davon, ob man diesen Fußball für geeignet hält, ist das deutlich mehr, als sie in Hamburg oder Bremen zuletzt zu bieten hatten. Wer junge Spieler, Sponsoren und überhaupt die Öffentlichkeit für sich interessieren will, braucht eine gute Geschichte und am besten auch einen Spielstil, der als Marke taugt. An diesem Punkt haben sich die Nordrivalen mit ihren Nöten getroffen: In Hamburg stand Labbadia maximal für Rettung und Pragmatismus, in Bremen konnte der Kollege Skripnik nur die Zugehörigkeit zur Werder-Familie als Trainermerkmal für sich reklamieren - ein charakteristischer oder wenigstens halbwegs systematischer Fußball war weder da noch dort zu finden.

Viele Klubs suchen solche Trainertalente zurzeit im eigenen Unterbau, aber das hatten Hamburger und Bremer ja schon hinter sich: Der HSV hat dort nur mal Josef Zinnbauer gefunden und Werder Viktor Skripnik (und, mangels Alternative, vielleicht bald Alexander Nouri). Deshalb das doppelte Interesse an Markus Gisdol: Auf dem Markt der klar definierten Sportlehrer ist dieser eher kleine Name im Moment so etwas wie der größte gemeinsame Trainer.

© SZ vom 26.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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