Verunglückte Athleten:Vom Tod eingeholt

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Vor allem Radfahrer erleiden oftmals gefährliche Trainingsunfälle.

(Foto: AFP)
  • Der Schweizer Alpinist Ueli Steck kommt bei einer Akklimatisierungstour im Himalaya ums Leben.
  • Nach zwei tödlichen Unfällen klagen Radrennfahrer über eine zunehmende Gefährdung durch Autos.
  • Zuletzt häuften sich alltägliche Unfälle, die ausgerechnet Sportlern riskanter Disziplinen zum Verhängnis wurden.

Kommentar von Philipp Selldorf

Vor drei Wochen kam im Himalaya der Schweizer Alpinist Ueli Steck ums Leben, als er auf einer Akklimatisierungstour in die Tiefe stürzte. Steck galt als der berühmteste und sogar beste Bergsteiger der Gegenwart, seine Passion bestand darin, die höchsten und schwierigsten Gipfel im Alleingang sowie im Wettlauf gegen die Uhr und mit sich selbst zu überwinden. Der Unfall geschah, als er sich darauf vorbereitete, den Mount Everest (8845 Meter) und den Lhotse (8516) zu überqueren - in einem Durchgang und ohne künstlichen Sauerstoff.

"Nur das Schwierigste war ihm gut genug", sagte sein langjähriger Seilpartner Stephan Siegrist, der Steck als "inspirierenden Ausnahmesportler" würdigte. Der Schweizer Roger Schäli, gleichfalls den sogenannten Extrem-Bergsteigern zugehörig, sprach von einem "Unfall mit viel Pech". Ein anderer Trauernder stellte fest: "Die leichtesten Strecken sind die gefährlichsten - und das wurde Ueli zum Verhängnis."

Erst nach ein paar Tagen trat in der Züricher Zeitung Tagesanzeiger ein Kommentator hervor, der sich gegen die bewundernden Nachrufe und das Pathos seiner Landsleute wendete und es wagte, die überall besungene Spiritualität des verunglückten National-Idols in Frage zu stellen. Diese Hast am Fels, die habe doch etwas Unsympathisches, findet der Kritiker, der an den Wettläufen durchs Hochgebirge auch kein heroisches Abenteurertum erkennen will, sondern bloß eine drastische Form des Leistungsprimats.

Sportive Wettläufe, ins ewige Eis zum Beispiel, haben auch vor hundert Jahren schon ehrgeizige Menschen ums Leben gebracht. Doch das Streben einzelner Super-Sportler nach noch mehr Selbstüberwindung und vor allem: noch mehr Nähe zur Todesgefahr ist ein bizarres Phänomen des 21. Jahrhunderts. Längst gibt es auch einen Markt dafür. Sponsoren finanzieren die Athleten, die im Gegenzug das Publikum in Bild und Ton an ihren einsamen Touren teilhaben lassen. Viele Menschen sind fasziniert davon. Andere können nicht begreifen, was das soll.

Allerdings beschränkt sich das Risiko im Sport nicht auf diejenigen, die im Fallschirm aus dem Weltall springen oder mit der Stoppuhr über Berggrate hetzen. Sport ist in gewisser Weise wie Rauchen und Trinken: gefährlich. Und die leichtesten Strecken sind womöglich, siehe Ueli Steck, die gefährlichsten. An dieser Erkenntnis kam man schon nicht vorbei, als Ende Dezember 2013 der Formel-1-Champion Michael Schumacher beim Skifahren verunglückte und dabei schwere Kopfverletzungen erlitt. Außer mit Bedauern und Betroffenheit reagierte die Welt mit ratlosem Erstaunen: All die Jahre auf den Rennstrecken hatten dem Draufgänger Schumacher nichts anhaben können - und dann geriet er auf einer nicht mal steilen Piste an eine Unebenheit und stürzte folgenschwer. Er fuhr nicht riskant, nicht schnell und trug einen Helm - er hatte einfach Pech.

Menschmaschinen gegen den Alltag

Wie der Rheinländer Schumacher hatte auch Nicky Hayden aus Owensboro/ Kentucky weite Teile seines Lebens auf Rennstrecken verbracht, mehr als 15 Jahre war er im professionellen Motorrad-Sport zu Hause - und nun starb er bei einem Fahrradunfall auf einer italienischen Landstraße. Am vorigen Mittwoch stieß er in der Nähe von Rimini mit einem Kleinwagen zusammen, man brachte ihn auf die Intensivstation einer Spezialklinik in Cesena, wo bereits - was für eine verdrehte Parallelität - die deutsche Leistungssportlerin Julia Viellehner aus Winhöring im Kreis Altötting um ihr Leben kämpfte. Auch sie hatte einen Fahrradunfall gehabt. Ein überholender Lastwagen hatte ihr Rad gerammt, als sie mit ihrem Freund und einem Trainingspartner eine Pass-Straße entlangfuhr. Am Montag erlag sie ihren Verletzungen.

In Wahrheit haben die Fälle, von denen hier die Rede ist, nichts miteinander zu tun. Es gibt kaum ein Muster, das sie verbindet, außer dass Sportler mit mal mehr und mal weniger eigenem Zutun betroffen waren und sind. In der Hochspannung des Wettkampfs sind sie wie perfekte Menschmaschinen durchs Leben gerast, doch dann kam der Alltag. Da ringt man um Erklärungen. Und findet nur Banalitäten.

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