Kommentar:Gefährliches Geplapper

Die Mercedes-Panne in Monte Carlo zeigt: Das Team kann sich in diesem Jahr nur selbst schlagen. Dank Niki Lauda ist es dabei auf dem besten Weg.

Von René Hofmann

Die Liste lustiger Formel-1- Pannen ist lang. Michael Schumacher rollte in seinen Anfangsjahren in Rot einmal vor die Ferrari-Box, als dort nur drei Räder lagen. Die Bild-Zeitung übte daraufhin mit den Italienern das bis Drei zählen: "Uno, due, tre . . ." und fragte entsetzt - "Mamma mia, wo ist quattro?" Unvergessen auch Felipe Massas Frühstart beim Tankstopp 2008 in Singapur: Der Brasilianer gab damals zu früh Gas, riss den Tankschlauch von der Zapfsäule und zog ihn weit durch die Boxengasse. In heller Aufregung sprinteten ihm mehrere Ferrari-Mechaniker hinterher und befreiten den Boliden. Anschließend schleppten sie den Schlauch auf ihren Schultern zurück in ihre Box, wie stolze Jäger, die mutig eine gewaltige Anakonda niedergerungen haben.

Angesichts solcher Konkurrenz hat es die Strategie-Panne von Mercedes in Monaco schwer, einen der vorderen Plätze in der Statistik der ulkigsten Pannen zu belegen. Gewiss, einen sicheren Doppelsieg beim wichtigsten Rennen des Jahres mit einem unnötigen Boxenstopp zu verschenken - das hat schon was. Aber anders als Massas Tankschlangen-Episode und Schumachers vergessenes viertes Rad ist sie nicht auf den Fehler eines einzelnen zurückzuführen. Ihr ging eine Kette an falschen Beurteilungen und Fehlentscheidungen voraus, die allerdings alle nach dem besten Gewissen und mit den besten Absichten getroffen worden waren.

Die Entscheidungsträger als Trottel hinzustellen, ist deshalb eine populistische Verkürzung - und es verwundert schon, dass diese ausgerechnet von demjenigen getroffen wurde, der eigentlich den ganzen Rennstall zusammenhalten soll: von Team-Aufsichtsratschef Niki Lauda. Während die maßgeblichen Köpfe des Teams nach dem Rennen in einer Kammer direkt über der Garage noch grübelten, was da schief gelaufen war, tat Lauda in seinem Nebenjob als bezahlter RTL-Experte schon so, als wisse er, was nun zu tun sei: Künftig dürfe einfach nur noch einer das Sagen haben.

Ein Chef, der seinen Angestellten vor einem Millionen-Publikum sagt, was zu tun ist, noch bevor er ausführlich mit ihnen gesprochen hat: Das ist die eigentlich denkwürdige Dimension dieser Mercedes-Panne im Fürstentum. Derlei hat es bisher nämlich wirklich selten gegeben. Für die innere Balance des Teams dürften Laudas Auftritte kontraproduktiv sein, sie könnten sogar das ganze Projekt gefährden: Die Silber- pfeil-Fahrer sind so dominant, dass sie sich nur selbst schlagen können. Genau danach aber sieht es derzeit aus. Bei sechs Auftritten 2015 haben sie nun schon zweimal Punkte mit Strategie-Schwächen verschenkt. Wie in Malaysia profitierte davon nicht nur das Publikum, das sich stets freut, wenn in dem High-Tech-Sport mal profan was schief geht. Es profitierte auch der ärgste Verfolger: Ferrari-Fahrer Sebastian Vettel.

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