Kommentar:Fragen an die Schattengestalt

Lesezeit: 2 min

Beckenbauer, Zwanziger, Niersbach - der Ruf deutscher Sportfunktionäre ist ramponiert, erst recht durch Strippenzieher Thomas Bach.

Von Claudio Catuogno

Der deutsche Sportfunktionär ist, um es vorsichtig zu sagen, gerade nicht besonders en vogue. Wenn er überhaupt noch im Amt ist. Angefangen bei der Lichtgestalt: Franz Beckenbauer, über Jahrzehnte der lässige Alleskönner unter den Sportführern aus Germany, hat sich weitgehend zurückgezogen und hofft, dass nicht mehr allzu viel rauskommt über die dubiosen Millionen-Geldflüsse von einem seiner Konten rund um die Vergabe der WM 2006. Theo Zwanziger, zu seiner Zeit als DFB-Präsident der deutsche Vertreter in den Gremien von Fifa und Uefa, ruft zwar ab und zu ein paar moralische Mahnungen um die Ecke - so richtig abnehmen will ihm die aber keiner mehr angesichts der Affären, die ihn selbst im Amt untragbar werden ließen. Helmut Digel, der Tübinger Uni-Professor, saß über all die Jahre doch ein bisschen zu ahnungslos daneben, wenn im Leichtathletik-Weltverband IAAF schmutzige Geschäfte gemacht wurden. Alfons Hörmann wiederum, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds, muss demnächst vor Gericht - ein heftiger Streit mit seinem ehemaligen Arbeitgeber. Wenn es für ihn im Sportamt heftig wird, sei es beim leidigen Thema Olympiabewerbung oder nun in der Russen-Affäre, kann man sicher sein, dass Hörmann irgendetwas Peinliches sagt.

Und jetzt auch noch Wolfgang Niersbach: ein Jahr Sperre durch die Ethikkommission der Fifa. Niersbachs internationale Fußball-Ämter - perdu. Er ist der Letzte aus der Sommermärchen- Generation, der seine Mandate aufgeben muss, und selbst wenn man Niersbachs Rolle eher am Rande der WM-Affäre ansiedelt: Die Art, wie seine Funktionärskarriere endet, passt in die Zeit.

Nur einer steht weiterhin unerschrocken im Wind. Der Herr des Olymps: IOC-Präsident Thomas Bach. Der Deutsche, der gerade der olympischen Bewegung das Grab schaufelt.

Jedenfalls wird der Anwalt aus Tauberbischofsheim von vielen so wahrgenommen: als derjenige, der das Gerede vom "Olympischen Geist" endgültig als hohle Marketinghülle entlarvt. Mal abgesehen von den jubelnden Russen natürlich, die jetzt trotz Staatsdopings nach Rio dürfen, sowie dem irrlichternden DOSB-Chef Hörmann ("Bach hat das professionell gemanagt"). Eine fast weltweite Allianz aus Anti-Doping-Kämpfern und Athletenvertretern hingegen ist fassungslos über die Chuzpe, mit der Bach seinen Freibrief für Wladimir Putins Sportarmee auch noch als Eintreten für den "sauberen Athleten" verkauft.

Immerhin: In die Frage, wer dieser Deutsche eigentlich ist, dürfte jetzt weltweit neue Dynamik kommen. Wenn Beckenbauer einst die Lichtgestalt war, so war Bach stets die Schattengestalt, ein diskreter Strippenzieher in eigener Sache. Ein Satz von Ahmad al-Sabah rückt jetzt wieder in den Blick: 2013, kurz vor Bachs Krönung, sagte der Scheich aus Kuwait, der im Weltsport als Stimmenbeschaffer gilt, Bachs Karriere sei von maßgeblichen Kräften von langer Hand aufgestellt worden - und Bach kenne die "Bedingungen", die er nun "zu erfüllen" habe. Der Hinweis bekommt jetzt neue Brisanz, denn die Frage ist ja: Hält Thomas Bach die Art, wie er die Russen nach Rio paukt, allen Ernstes für eine gute Lösung? Oder liegen seine Gründe woanders? Sind dem Karrieristen Thomas Bach schlicht die Hände gebunden?

© SZ vom 26.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: