Kommentar:Finälchen in Singapur

Zum letzten Turnier der Saison treffen sich die acht besten Spielerinnen des Tennisjahres in Singapur zu einer mit sieben Millionen Dollar Preisgeld dotierten Gala. Klingt groß und wichtig. Die Hauptdarstellerin aber fehlt.

Von René Hofmann

Hell oder dunkel? Schwarz oder weiß? Vor dem Abflug nach Asien stand Angelique Kerber vor der Frage: Was anziehen zu dem großen Anlass, der Auslosung für das letzte Turnier der Saison, dem Finale der Frauen-Tennistour in Singapur. Die 27-Jährige hat schließlich ein helles und ein dunkles Kleid in den Koffer gelegt, womit sie sich am Freitag ihren sieben überwiegend schwarz gewandeten Kolleginnen farblich leicht anpassen konnte.

Am Sonntag beginnen die Spiele, zunächst in zwei Gruppen. Kerber bekommt es mit der Spanierin Garbine Muguruza und den Tschechinnen Petra Kvitova und Lucie Safarova zu tun. In der zweiten Gruppe rangeln die Rumänin Simona Halep, die Russin Maria Scharapowa, die Polin Agnieszka Radwanska und die Italienerin Flavia Pennetta ums Vordringen in die K.o.-Phase. Kommenden Sonntag wird die Siegerin feststehen.

Serena Williams fehlt, eine Asiatin hat sich nicht qualifiziert

Egal aber, wie diese auch heißen mag: In Erinnerung bleiben wird sie als prägende Figur dieser Saison kaum. Die prägende Figur 2015 steht bereits fest: Sie heißt Serena Williams. Die 34 Jahre alte Amerikanerin hat drei der vier Grand-Slam-Turniere gewonnen und führt die Weltrangliste mit einem überwältigenden Vorsprung an. In Singapur aber ist sie nicht am Start. Bereits Mitte September hat sie für sich beschlossen, dass sie in diesem Jahr genug Bälle geschlagen hat.

Ein Finale ohne die nachweislich Beste - das provoziert Fragen: Welchen Wert hat eine solche Veranstaltung dann überhaupt noch? Sieben Millionen Dollar werden in Singapur ausgespielt, mehr Preisgeld gibt es lediglich bei den Grand-Slam-Events. Ist das angemessen? Oder ist das Finale nicht eher ein Finälchen?

Die Fragen tauchen nicht zum ersten Mal auf. Das Frauen-Finale hat schon eine ziemliche Odyssee hinter sich. München, Los Angeles, Madrid, Doha, Istanbul, seit vergangenem Jahr nun Singapur: So hießen die Stationen, die es seit 2001 erlebte. Ein dauerhaft überwältigender Erfolg ist das Finale nirgends gewesen, was vermutlich vor allem daran liegt, dass bei dem Turnier nie eine neue Heldin gekrönt wird, sondern lediglich schon verdiente Kräfte Zugaben geben.

Angelique Kerber? Hat in großen Städten selten geglänzt

Melbourne, Paris, Wimbledon, New York: Das bleiben die vier Fixpunkte in der Tenniswelt. Weil dort die Tennisbegeisterung gewachsen ist. Der Versuch, die Begeisterung wandern zu lassen, war naheliegend. Sie ist aber immer noch im Versuchsstadium. Und diese Ausgabe in Singapur dürfte daran wenig ändern: Keine Asiatin im Teilnehmerfeld, dafür sieben Europäerinnen - den lautesten Applaus wird da wohl die in Florida lebende Russin Maria Scharapowa ernten.

Angelique Kerber wurde von Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner in den Stand einer "Mitfavoritin" erhoben. Sollte die Kielerin tatsächlich triumphieren, wäre das eine hübsche Pointe. Mit vier Turniersiegen in Charleston, Stuttgart, Birmingham und Stanford gehört Kerber zwar zu denen, die 2015 viele Trophäen sammelten, bei den vier Grand-Slam-Galas aber hieß es für sie immer schon nach der ersten Woche: Koffer packen!

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