Kommentar:Es bleibt kompliziert

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Dass die Polizei mit Razzien gegen Anhänger von Dynamo Dresden vorgeht, zeigt, wie fragil der Friede in den Fußballstadien ist. DFB und Ultra-Fans hatten sich gerade angenähert. Die Ermittlungen dämpfen die zuletzt positive Stimmung.

Von Sebastian Fischer

Es soll Kuchen gegeben haben, als in Frankfurt über Frieden in deutschen Fußballstadien verhandelt wurde. Und am Ende, dreieinhalb Stunden später, war viel vom Kuchen aufgegessen. Die Gespräche, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga (DFL) mit Vertretern der Fanszenen zahlreicher deutscher Profiklubs am 9. November führten, waren intensiv. "Krieg dem DFB", das war die an jedem Spieltag in vielen Stadien vorgetragene Forderung der Ultras gewesen. Nach dem 9. November war von Versöhnung die Rede, vom besten Verhältnis zwischen Fans und Verband seit einem Jahrzehnt. Wieder einen Monat später ist klar, wie kompliziert die Lage bleibt.

Am Dienstag ist die Polizei mit 35 Razzien in drei Bundesländern und der Schweiz gegen Anhänger von Dynamo Dresden vorgegangen. Dresdner Fans waren es gewesen, die im Mai vor dem Spiel beim Karlsruher SC wie eine Armee durch Karlsruhe marschierten. Rund 1500 Verkleidete, die Tarnkleidung trugen, wie vorm Gefecht trommelten und mit Pyrotechnik schossen. 21 Polizisten erlitten Knalltraumata. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe leitete Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Verstößen gegen das Versammlungs- und das Sprengstoffgesetz ein. Die Aktion der Ultras verstörte, doch sie erreichte ihr Ziel: Sie traf auf Zustimmung in der Ultra-Szene und setzte den DFB unter Druck. Sie führte zu den Gesprächen, nach denen DFB-Präsident Reinhard Grindel Kooperationsbereitschaft signalisierte, jene Punkte betreffend, die Fans kritisieren: Richtlinien für Stadionverbote, Kollektivstrafen nach Vergehen Einzelner und je nach Stadion verschiedenen Regeln für die Mitnahme von Fan-Utensilien, die regelmäßig zu Konflikten beim Einlass führen. Beim DFB wähnte man sich den Ultras - dem harten, widerspenstigen Kern der Fußballfans, für Stimmung beliebt und Krawall berüchtigt - so nah wie lange nicht.

Die Polizei durchsuchte eine sozialpädagogische Einrichtung

Die Polizeiaktion am Dienstag haben sie im Verband nun durchaus mit einem fatalistischen Seufzer zur Kenntnis genommen. Denn ihnen wird neuerlich das Problem in Erinnerung gerufen, dass toleranter Umgang mit den Ultras manchmal an Grenzen stoßen kann. Die Razzien der Ermittlungsgruppe "Dynamo" des Polizeipräsidiums Karlsruhe richtete sich gegen 28 Tatverdächtige. Durchsucht wurden auch die Räume des Fanprojekts Dresden, einer sozialpädagogischen Einrichtung, die sich eigentlich als Partner der Polizei versteht. Beim Fanprojekt war sogleich von massiver Enttäuschung und beschädigtem Vertrauen die Rede. Und auch wenn der DFB nicht die Polizei ist, besteht nun Anlass zur Sorge, dass die Ermittlungen die positive Stimmung dämpfen, die auch von Dresdner Fans ausging.

Elf Themen standen beim Treffen im November auf der Tagesordnung. Zu viel, da waren sich alle einig. Es soll ein zweites Gespräch geben, mit konkreterer Themenauswahl. DFB und DFL warten noch auf das nächste Positionspapier der Ultras. Sie müssen sich wohl darauf einstellen, dass es für Fußballfrieden noch ziemlich viel Kuchen braucht.

© SZ vom 06.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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