Kommentar:Ermittler aus Guam

Die Aufräumarbeiten im Fußball-Weltverband gehen kaum voran. Die Fifa-Ethikkommission ermittelt zwar, das größte Geheimnis wird sie aber kaum lösen.

Von Thomas Kistner

Sage noch wer, der deutsche Fußball, der den Weltmeister stellt und den weltgrößten Verband, ginge die Aufräumarbeiten im Weltverband Fifa nicht standesgemäß an. Schon am Montag sagte Theo Zwanziger ab, er will das Thronamt des in multiple Strafermittlungen gestolperten Sepp Blatter nicht haben. Obwohl, so ließ er das Fachorgan kicker wissen, die Idee, ihn vorzuschlagen, ja "grundsätzlich richtig" sei.

Was jetzt? Zum Glück hat Deutschland Alternativen: Wolfgang Niersbach, der Zwanziger auch schon im DFB-Job beerbt hatte. Aber wer wird dann bitte schön Uefa-Präsident, wenn Michel Platini über die Millionenzahlung strauchelt, die ihm Blatter mit jahrzehntelanger Verspätung zuführte, dummerweise mitten im hitzigen Präsidenten-Wahlkampf 2011?

Das Thema ist komplex. Und was die Fifa umtreibt, sind nicht deutsche Personalspiele, sondern Strafermittler in aller Welt, die den größten Sportverband des Globus filetieren. Wäre Blatter weg, folgen statutengemäß Kameraden, die man gleich hinterherschicken könnte: Afrika-Chef Issa Hayatou (Kamerun), vorbelastet und mit ungeklärten Fragen bezüglich der WM-Vergaben 2018/22 konfrontiert, dann Villar Llona (Spanien), für den dasselbe gilt. Es folgt, hoppla, Platini. Dann Mister Chung aus Papua-Neuguinea.

Das größte Geheimnis will die Ethikkommission nicht lösen

Es sieht nicht gut aus. Doch andererseits will ja nun die Fifa-Ethikkommission klären, ob ein Fifa-Patron, dem der Generalbundesanwalt diverse Strafdelikte im Amt anlastet, nicht eventuell suspendiert gehört, bis sich die Verdachtslage etwas verflüchtigt hat. Und auch bei Platini herrscht starker Klärungsbedarf.

Sind die Fifa-Ethiker gewappnet? Bisher hat ja mancher fast geschwärmt von Blatters persönlicher Integrität, und ihn gegen externe Kritik verteidigt. Was nun einen Erkenntnisschub nötig macht in diesem Gremium, das sogar Blatters Rolle im Korruptionssumpf um die Vermarktungsfirma ISL und deren behördlichen Aufarbeitung nur etwas "ungeschickt" fand. Und wer ermittelt eigentlich? Kammerchef Borbély (Schweiz) und der Franzose Jacques Lambert dürfen gegen Landsleute nicht ermitteln, die restlichen Ethiker müssen nun ein Dreier-Gremium bilden: Djimrabaye Bourngar aus dem Tschad, Borbélys Stellvertreter, stehen Kollegen aus Guam, Mauretanien, Kolumbien und Trinidad/Tobago zur Seite. In Trinidad kämpft ein gewisser Jack Warner gegen die Auslieferung in die USA, er ist tief in die Straf-Causa Blatter verwickelt über einen TV-Vertrag, den er zu Spottpreisen erhielt. Damit dürfte die Dame von der Karibikinsel ebenfalls ausscheiden. Bleibt die Frage, warum die Ethiker nicht gleich ins bestgehütete Fifa-Geheimnis vordringen: In die Bücher zu Blatters Kostenstellen? Bilanziell sind diese Gelder in einen Gesamtbetrag eingemischt, der zuletzt bei 33 Millionen Dollar lag. Herausrechnen lässt sich, was davon Saläre der Direktoren und den Generalsekretär betrifft, plus Vorstandsvergütungen. Setzt man alle mit unüblich hohen Bezügen an, bleibt ein Rest, der an 20 Millionen heranreichen könnte. Ist es nicht Zeit, zumal unter geschäftsethischen Aspekten, diese Zahlen endlich zu analysieren? Sonst tut auch das der Bundesanwalt.

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