Kommentar:Entwertete Tour

Erst Djokovic und Murray, nun auch noch Berdych und Kyrgios. Immer mehr Spieler brechen die Tennis-Saison wegen Verletzungen verfrüht ab. Womöglich sind sie an diesem Problem jedoch auch selbst schuld. Es gibt inzwischen zu viele Show-Wettbewerbe.

Nun der Nächste: Tomas Berdych, der Tscheche, gab bekannt, dass er 2017 kein Tennis mehr spielen wird. Der Rücken zwicke, seit Wimbledon, jetzt gehe es nicht mehr. Halt! Da meldet sich der Allernächste. Nick Kyrgios, der Australier, zwischen Genie und Rätsel unterwegs, steigt vorzeitig aus, die Hüfte malade, seit Queen's, also auch seit Frühsommer. Berdych und Kyrgios gesellen sich zu Novak Djokovic (Serbien), Andy Murray (Großbritannien), Stan Wawrinka (Schweiz), Milos Raonic (Kanada) und Kei Nishikori (Japan), die alle 2018 erst wieder das Racket schwingen. Gewinner dieser merkwürdigen Entwicklung sind die Australian Open im Januar, in Melbourne erhält die Tour ihre Großkaliber zurück. Eine endlich sportlich valide Get-together-Fiesta dürfte der Termin werden, womit klar ist: Wo ein Wiedersehen gefeiert wird, hat sich vorher etwas entzweit. Und genau das, eine Fehlentwicklung, ist festzustellen. Die Männertour hat jedenfalls Anlass zur Sorge.

Profis ist kein Vorwurf zu machen, wenn sie eine Auszeit nehmen, ihr Körper ist ihr Kapital. Die Frage ist, warum sich gleich eine Weltauswahl aus Patienten formen lässt - ist das Zufall? Oder gibt es eine Kausalität, die die Hüfte des 30-jährigen Murray mit der Hüfte des 22-jährigen Kyrgios vereint? Wissenschaftlich bejahen lässt sich dies nicht, doch liegt die Vermutung nahe: Die Profis sind überlastet. Neu ist das Thema nicht, Rafael Nadal etwa hatte oft längere Pausen gefordert. Klagen dieser Art hört man jedoch kaum noch. Aus bestimmtem Grund.

Heute sind es nicht mehr zu viele Turniere, sondern (lukrative) Showkämpfe in aller Welt, die aus dem vollen Kalender einen übervollen machen, an denen aber jeder partizipieren will. Jüngstes Beispiel: der Laver Cup. Die Besten trafen sich in Prag, Europa spielte gegen ein internationales Team. An Bord Kyrgios und Berdych. Der Eindruck bleibt hängen, dass solche Auftritte die Konten füllen, aber Energien rauben und den Körper bestrafen, irgendwann. Für die PR und die Geschäfte von Gastgeber Federer war die Veranstaltung ein Erfolg. Nur in der Summe führen zu viele Events dieser Art, wegen der Mehrbelastung, zu Absagen und damit zur Entwertung jenes Produkts, von dem alle wirklich leben: der Tennistour, die im Grunde diesem Trend zusehen muss. Atteste sind nicht anfechtbar.

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