Kommentar:Einer schweigt, einer spricht

Handball-Vizepräsident Bob Hanning musste die Verpflichtung von Bundestrainer Christian Prokop gegen Widerstände durchsetzen. Das erklärt die Euphorie nach dessem ersten, beeindruckenden Sieg.

Von Joachim Mölter

Genauso fachkundig, genauso akribisch, genauso zielstrebig wie Dagur Sigurdsson - so wird Christian Prokop beschrieben, der Nachfolger des Isländers als Bundestrainer der deutschen Handballer. Denen wäre vermutlich gar nicht aufgefallen, dass sie von jemand anderem betreut werden, wenn dieser Jemand nicht immerzu so viel reden würde. Wie zu hören ist, scheint das der einzige größere Unterschied zwischen den beiden Männern zu sein: Der eine schweigt, der andere spricht.

Abgesehen davon geht es mit der Entwicklung der deutschen Handballer aber offenbar genauso voran wie bisher, sieht man mal vom Rückschlag bei der WM im Januar ab, als die Europameister und Olympia-Dritten von 2016 im Achtelfinale ausschieden. Das war kein schöner Abschied für den Bundestrainer Sigurdsson, der die deutschen Handballer zurück in die Weltspitze geführt hat und nun auch den kommenden Olympia-Gastgeber Japan dorthin bringen will. Aber das frühe WM-Aus erleichterte Prokop den Einstieg: Die Erwartungen sind nun nicht mehr ganz so hoch.

Das erklärt, warum Prokops erster Sieg in Diensten des Deutschen Handballbundes (DHB) euphorisch gefeiert worden ist. Am Mittwoch siegte die Auswahl in der EM-Qualifikation beim WM-Dritten Slowenien sehr beeindruckend 32:23. DHB-Vizepräsident Bob Hanning, der die Verpflichtung des international unerfahrenen Prokop gegen Widerstände durchgesetzt hatte, schwärmte erleichtert gar von einem der "besten Spiele der letzten Jahre". Bereits im Rückspiel am Samstag in Halle/Westfalen kann die EM-Teilnahme 2018 in Kroatien perfekt gemacht werden.

Der 38 Jahre alte Christian Prokop hat schnell Fortschritte erreicht nach einer Niederlage und einem Unentschieden bei seinem Debüt in den Testspielen gegen Schweden. Vor seinem ersten Pflichtspiel war er klug genug, nicht viel zu verändern: Er hat auf das selbe Personal zurückgegriffen wie Sigurdsson und auf die gleiche Spielidee - bissige Defensive, schnelle Gegenstöße. "Er will nicht alles komplett umschmeißen", berichtete Kreisläufer Hendrik Pekeler, "er will auf dem alten System aufbauen." Was blieb Prokop anderes übrig angesichts der kurzen Zeit, die er zur Vorbereitung auf dieses Spiel hatte? Zwei Tage, mehr nicht.

Künftig wird er mehr Zeit haben, den Spielern seine Ideen, Vorstellungen und Visionen nahezubringen. Im Juni beendet er seine bisherige Haupttätigkeit beim Bundesligisten DHfK SC Leipzig, dann kann er die deutsche Auswahl auf die Heim-WM 2019 und auf Olympia 2020 einstimmen. Und damit ihm während der zunächst bis 2022 befristeten Vertragslaufzeit die Ziele nicht ausgehen, hat der DHB gerade angekündigt, sich um die Europameisterschaften 2022 und 2024 zu bewerben. Es gibt viel zu tun, aber der Anfang ist ja gemacht.

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