Kommentar:Ein irrer Spieltag, der nur einen echten Verlierer kennt

SC Freiburg - FC Ingolstadt 04

Trainer Maik Walpurgis tröstet Markus Suttner (l) von Ingolstadt. Ingolstadt steigt in die zweite Bundesliga ab.

(Foto: dpa)

Gewitter und Hagel in Wolfsburg, Millimeter-Entscheidung auf Schalke, eine eigentlich totgeglaubte Mainzer Mannschaft: Der 33. Spieltag war voller Geschichten - nur der FC Ingolstadt hatte keine.

Kommentar von Sebastian Fischer

Manchmal übertreibt es die Bundesliga ja mit ihrer Vorliebe für ironische Geschichten. Die gibt es zuhauf, man kann sie gar nicht überlesen oder überhören, denn sie werden immer dadurch eingeleitet, dass jemand aufgeregt "Ausgerechnet!" ruft. Meist geht es dabei allerdings um so putzige Dinge wie das Tor eines Spielers gegen seine alte Mannschaft oder einen Hattrick zum Geburtstag. Doch was am Samstag geschah, war dagegen fast schon Satire: Ausgerechnet die Ingolstädter, die sich - sagte ihr Trainer Maik Walpurgis vor einer Woche - so sehr eine verrückte Geschichte für das Saisonfinale gewünscht hatten, sind nun nach all den verrückten Geschichten dieses 33. Spieltages abgestiegen.

Die Rückrunden-Aufholjäger aus Ingolstadt wähnten sich schon fast in einem Endspiel am 34. Spieltag gegen Schalke. Ein Sieg in einer Woche und eine gleichzeitige Niederlage des Hamburger SV hätten gereicht für Relegationsrang 16, das war jedenfalls der Stand nach 90 Minuten, als Schalke 1:0 gegen Hamburg führte. Zwei Minuten später glich Hamburg aus, wiederum drei Minuten später ging Schalke noch mal in Führung, doch das Tor zählte nicht. Was die Ingolstädter erlebten, erinnerte in seiner Dramatik ausgerechnet an die Szenen der Schalker Fast-Meisterschaft vor 16 Jahren. Ingolstadts Marvin Matip sprach sogar wie einst die Schalker von falschen Auskünften, die ihn und seine Mitspieler kurz jubeln ließen.

Ausgerechnet Hamburg und Wolfsburg treffen sich zum Abstiegsendspiel

Doch damit nicht genug. In Wolfsburg gewitterte es so stark, dass das Spiel gegen Mönchengladbach unterbrochen werden musste. Der VfL konnte also mit dem Wissen von den anderen Plätzen, dass ein 1:1 am letzten Spieltag für eine gute Ausgangsposition reichen würde, das Ergebnis mit Verspätung über die Zeit retten. In Augsburg rettete der überraschend ins Team gerückte Ersatztorhüter Andreas Luthe in seinem ersten Spiel überhaupt für den FCA das Unentschieden gegen Dortmund. Ausgerechnet Luthe. Ausgerechnet gegen Dortmund - jenes Team, gegen das er vor Jahren mit Bochum zuletzt in der Bundesliga aufgelaufen war. Und in Mainz drehte die zwischenzeitlich totgeglaubte Mannschaft ein 0:2 gegen Frankfurt in ein 4:2, verrückter geht's nicht. Es hatte also jedes Team im Abstiegskampf seine Geschichte - nur die Ingolstädter nicht, die sie so sehr gebraucht hätten.

Vielleicht ist es ja so, dass es für verrückte Geschichten eine längere Historie als die frische des FC Ingolstadt braucht, einen Fundus für das "Ausgerechnet!" quasi. Anders gesagt: Erfahrung im Abstiegskampf zahlt sich am Ende aus. So wäre es zu erklären, dass der einst ruhmreiche, verrückte Hamburger SV sich tatsächlich am letzten Spieltag noch retten kann. Das Tor in der Nachspielzeit, sein erstes in dieser Saison, erzielte Pierre-Michel Lasogga; jener Stürmer, den die meisten nur von seinem Nackt-Jubel in der Relegation 2015 oder seinem Tor in der Relegation 2014 kennen. Danach war er meistens Ersatzspieler. Doch kurz vor der nächsten Relegation (ausgerechnet einen Tag vorm Muttertag, werden nun besonders Eingeweihte anmerken, die wissen, dass Pierre-Michel in Vertragsgesprächen von seiner Mutter, der Spielerberaterin Kerstin Lasogga vertreten wird) ist Lasogga wieder in Form.

Am letzten Spieltag treffen nun ausgerechnet die verbliebenen direkten Konkurrenten Hamburg und Wolfsburg zum Abstiegsendspiel aufeinander. Mario Gomez gegen Pierre-Michel Lasogga und seine Mutter. Es wird bestimmt eine verrückte Geschichte.

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