Kommentar:Ein Finger zu viel

Alberto Contador gewinnt den Giro d'Italia und macht von sich reden, weil nun auch das Double mit der Tour de France möglich erscheint. Als Symbolfigur für einen neuen Radsport taugt der 32 Jahre alte Spanier aber in keinster Weise.

Von René Hofmann

Alberto Contador zeigte die Geste nicht nur einmal. Er zeigte sie wieder und wieder. Als er als Gesamtsieger des Giro d'Italia in Mailand über die Ziellinie radelte, hob er beide Arme und streckte rechts wie links drei Finger in die Luft. Später, als er den gewaltigen Pokal im Arm hielt, den ihm der Triumph brachte, streckte er die Linke noch einmal von sich und reckte Daumen, Zeige- und Mittelfinger erneut. Wirklich die ganze Welt sollte sehen, wie oft er die nach der Tour de France bedeutendste Radrundfahrt nun schon gewonnen hat: drei Mal!

Drei Mal? Contador, Giro, Doping - da war doch was . . . Richtig. 2011 hatte der Spanier das Feld bei dem Wettbewerb beherrscht und die Rivalen zum Teil derart rücksichtslos vorgeführt, dass ihn die Tifosi mit Eiern bewarfen. In der Gesamtwertung war er am Ende mit mehr als sechs Minuten voraus gewesen. Der Triumph aber wurde ihm nach einigem Hin und Her vom internationalen Sportgerichtshof Cas wieder genommen. Für Clenbuterol-Spuren in einer Dopingprobe wurde Contador zudem zwei Jahre gesperrt.

Die Episode - er selbst führte ein kontaminiertes Stück Fleisch als Grund für die auffällige Probe an - war keineswegs die einzige, die den heute 32-Jährigen in die Nähe von verbotenen Methoden und zwielichtigen Gesellen rückte. In der Kundenkartei des einschlägig bekannten spanischen Sportmediziners Eufemiano Fuentes fanden sich Hinweise auf einen Kunden, der unter dem Kürzel "A.C." firmiert haben soll. Alberto Contador fuhr unter anderem für das kasachische Team Astana, er fuhr unter anderem unter dem Teamchef Bjarne Riis und sein wichtigster Helfer war einst Alexander Winokurow. Kurz: die Kreise, in denen Alberto Contador sich bewegte, waren nun wirklich nicht die reinsten.

Viel ist dieser Tage von einer angeblich neuen Kultur im Peloton die Rede. Von einem neuen, angeblich sauberen Radsport. Vom 4. bis 26. Juli will dieser sein Hochamt zelebrieren, die Tour de France. Alberto Contador wird dann wieder viele Blicke auf sich ziehen. Nach dem Triumph beim Giro gilt er nun auch als Tour-Favorit. Zum letzten Mal glückte der Doppelschlag 1998 einem Fahrer: dem 2004 an einer Überdosis Kokain verstorbenen Marco Pantani, bei dem ebenfalls mehrmals deutliche Doping- indizien gefunden worden waren. Contador wäre irgendwie ein passender Nachfolger. Als Symbolfigur für einen neuen Radsport aber taugt er nicht. Dafür disqualifiziert ihn bereits der Umgang mit der eigenen Vergangenheit.

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