Fußball als Show:Pfiffe gegen den Kommerz

Lesezeit: 2 min

Mit Helene Fischer dachte der DFB, den Nerv der Fans getroffen zu haben. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Während der DFB analysiert, warum Helene Fischer im Berliner Pokalfinale vom Platz gepfiffen wurde, geht es Fans und Spielern längst um die Rettung des Fußballs vor dem voranschreitenden Kommerz.

Ein Kommentar von Philipp Selldorf

Der Deutsche Fußball-Bund will aus der heftigen Ablehnung, die Helene Fischer während des Halbzeitauftritts beim Pokalfinale widerfuhr, seine Lehren ziehen. Dies hat DFB-Vize Peter Frymuth der Rheinischen Post versprochen. Frymuth darf in dieser Frage als kompetent gelten, denn der Verein, dem er zehn Jahre als Präsident vorstand, ist für seine exzellente Musikbegleitung im Stadion bekannt. Fortuna Düsseldorf beschäftigt zu diesem Zweck den populären Discjockey DJ Opa, was ein passendes Pseudonym ist.

DJ Opa spielt in der Halbzeit am liebsten die Punkrock-Klassiker verblichener Untergrundgrößen sowie Musik von alten Lokalmatadoren wie Family Five oder Stunde X. Aus Sicht junger Menschen der Gegenwart sind das zwar Oldies, aber mit der Stadionmusik ist es wie mit Fußballern: Man unterscheidet nicht zwischen junger oder alter Musik, sondern zwischen guter und schlechter Musik. Oder zwischen passender und unpassender Musik. DJ Opa hat auch schon "Ich find' dich scheiße" von Tic Tac Toe gespielt - als RB Leipzig zu Besuch war. Beschwert hat sich darüber nicht das Düsseldorfer Publikum, sondern RB Leipzig (bei der DFL).

Kommentar
:Ein Trainer mit Zukunft und ein Team mit Zukunft gehen auseinander

Für den deutschen Fußball ist die Situation zu bedauern. Aber der harte Kern des BVB hält die Trennung am Ende eines beispiellosen Ränkespiels für die einzige Lösung.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Fußballfans sind umso konservativer, je näher sie ihrem Verein stehen. Ihr Misstrauen gegen Veränderungen wird durch den kommerziellen Fortschritt ständig herausgefordert, nun auch in Fragen der Halbzeitunterhaltung. Eine Woche zuvor war bereits der FC Bayern unangenehm aufgefallen, als er in der Pause die Sirene Anastacia in Überlänge heulen ließ, so dass die zweite Hälfte verspätet begann. Auch der Profi Mats Hummels hat dieses Vergehen kritisiert ("es wird immer mehr Show") und kulturpessimistisch konstatiert: "Aber das scheint dazuzugehören." Im Subtext hörte man daraus eine Anklage gegen den bösen Götzen Mammon.

Es ist nicht widersprüchlich, dass sich auch ein Profiteur wie der Großverdiener Hummels auf die Seite der Konservativen stellt. Den permanenten Druck der Umsatzsteigerung und Marktexpansion spüren auch die Akteure: am eigenen Körper durch Überlastung und, je nach Geschmackssinn, an Randerscheinungen. Helene Fischer, die der DFB irrtümlich für eine familienfreundliche Lösung hielt, verkörperte in Berlin diesen ungeliebten Fortschritt.

Für die Traditionalisten war es aber kein schlechtes Wochenende. Während Peter Frymuth für den DFB den Rückzug von der Plastik-Show andeutete, meldete sich aus Los Angeles ein weit gewichtigerer Vertreter der Gegenseite. Hasan Ismaik, "Investor" und Schreckgespenst des TSV 1860 München sowie die wandelnde Verhöhnung des 50+1-Prinzips, stellte öffentlich fest, dass sein teures Engagement bisher "auf allen Ebenen gescheitert" sei. Hierzu könnte nun DJ Opa ausnahmsweise Vicky Leandros einspielen: "Geh mit Gott, aber geh".

© SZ vom 30.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bundesliga-Relegation
:Vieirinha verhindert Wolfsburgs Desaster

Braunschweig hat Chancen, Wolfsburg macht das Tor: Im Rückspiel der Relegation quält sich der VfL zu einem 1:0 und schafft den Klassenerhalt. Einige Fans benehmen sich daneben - Wolfsburgs Trainer Jonker behält seinen Job.

Von Javier Cáceres

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: