Kommentar:Durch die Hintertür

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Die Einführung der Selbstanzeige beim Financial Fairplay zeigt: Defizitäres Wirtschaften ist wieder möglich. War die Regelung bisher wettbewerbsrechtlich problematisch?

Von Thomas Kistner

Das Ganze wird allmählich zur Posse. Europas Fußball-Union Uefa kämpft um ihr Financial Fairplay (FFP), eine im Kern ja gute Sache, die die Klubs zwingen will, nicht über ihre Verhältnisse zu leben. Aber genau besehen ist es so, dass sich die Uefa nur noch im Griff ihres juristischen Gegners windet. Der heißt Jean-Louis Dupont und gilt als Schrecken aller Fußballfunktionäre, seit er 1995 das Bosman-Urteil durchgeboxt hat (das erlaubt Profikickern, nach Vertragsende ablösefrei zu wechseln).

Nun will Dupont das FFP der Uefa aushebeln - mit starken Argumenten: Weil es bestehende Verhältnisse zementiere und gravierend gegen das EU-Wettbewerbsrecht verstoße - Klubs dürften nicht mehr in die eigene Tasche greifen, Investitionsfreiheit und langfristige Planung würden stark eingeschränkt.

Dupont vertritt einen Spielerberater, dessen Berufsstand Einbußen befürchtet ob der Restriktionen am Transfermarkt. Ist das für die Allgemeinheit kein Anlass zur Besorgnis, so wirkt das Anliegen der übrigen Klientel substantiell: Für Fanvereinigungen aus vier Ländern attackiert Dupont über das Verbraucherrecht. FFP, so der Kernvorwurf, installiere eine Oligopol-Liga aus wenigen reichen Klubs, während der Rest für immer in die Nebenrolle gezwungen werde. Weil die Zuschüsse der Klubeigner begrenzt werden, gehe der wachsende wirtschaftliche Druck auf die Fans über.

Tatsächlich verfügt die FFP-Regelung, dass Ausgaben von Klubs in Uefa-Bewerben die Erlöse nicht übersteigen dürfen. Aber andererseits spielt keine Rolle, wie verschuldet ein Klub ist. So glitten 2014 Real Madrid und Manchester United, die zusammen 800 Millionen Euro Verbindlichkeiten aufgehäuft hatten, durchs FFP-Raster, während schuldenfreie, von ihren Eignern mit Unsummen gemästete Klubs wie ManCity und Paris SG wegen Bilanzdefiziten 60 Millionen Euro Bußgeld auferlegt bekamen.

Kürzlich hat ein Brüsseler Gericht viel Sympathie mit den Klägern signalisiert. Dass die Uefa nun eine Selbstanzeige in ihr FFP-Reglement einwebt und als Schritt zu mehr Wettbewerb und Chancengleichheit verkauft, wertet Dupont als Durchbruch. Denn wer sich freiwillig meldet, geht nicht nur straffrei aus: Er erhält auch vier Jahre Zeit, innerhalb eines mit der Uefa verhandelten Geschäftsplans mit einem Defizit zu wirtschaften. Am Ende muss der Etat halt ausgeglichen sein. "Genau das ist eine entscheidende Maßnahme, die meine Klienten vor Gericht einfordern", teilte Dupont am Dienstag mit. Und gleich wieder aus: Mit der Änderung habe die Uefa ja nun selbst eingeräumt, dass ihre bisherige FFP-Version "übertrieben und wettbewerbsrechtlich illegal" gewesen sei.

Manches deutet darauf hin, dass dies nicht nur juristische Kraftmeierei ist. Sonst hätte die Uefa vielleicht weniger die Selbstanzeige als einschneidende Neuerung in den Fokus gerückt - und mehr das, was im Schatten als Kernveränderung mitsegelt: Defizitäres Wirtschaften ist wieder möglich, straflos und sogar über vier Jahre. Und die Business-Pläne, darüber lässt sich reden.

© SZ vom 01.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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