Kommentar:Dieselbe Story, nur anders

2009 gab es ein deutsches U21-Team, aus dem viele Spieler hervorgehen sollten, die 2014 Weltmeister in Brasilien wurden. Wie viel Spitze nun im wieder fähigen Kader steckt, ist jedoch noch unklar.

Von Christof Kneer

Sami Khedira hat die Geschichte mal anschaulich erzählt: wie er bei der U 21-EM 2009 vom Jugendspieler zum Mann geworden ist. Khedira hat ja eine Persönlichkeit, die ihn zum Führen von Gruppen befähigt: Er kann seriös an das Wohl des großen Ganzen denken und gleichzeitig daran, dass das eigene Ego sich in diesem großen Ganzen schon auch angemessen wiederfindet. Horst Hrubesch, damals Trainer der U 21, hat das zielsicher erkannt und Khedira, damals 22, die Kapitänsbinde übergestreift. Viele im Team fanden das erst komisch, dass jetzt einer ihr Chef sein soll, der über weniger feine Füße verfügt als sie selbst. Am Ende haben Spieler wie Mesut Özil aber gemerkt, dass es sogar ganz praktisch sein kann, wenn man sich nur auf die hübschen Pässchen konzentrieren muss, und alles andere regelt dieser große Kerl mit seinem coolen Ego.

Am Ende dieses Turniers in Schweden hatten dann alle etwas gelernt: wie man gegen Widerstände eine Gruppe führt; wie man sich als Gruppe führen lässt; und wie man - ganz unabhängig davon - gemeinsam einen Titel gewinnt.

Der deutsche Nachwuchs ist breiter aufgestellt als 2009 - aber was macht die Spitze?

Der Sommer 2009 wird im deutschen Fußball bis heute gründlich verherrlicht. Der sog. "Mythos von Malmö" besagt, dass damals eine Gruppe von Hochbegabten gemeinsam zu einer Reise aufbrach, die fünf Jahre später im Maracanã-Stadion in Rio enden sollte, wo die Hochbegabten dem U 21-EM Titel einen Männer-WM-Titel folgen ließen. Sie alle standen ja 2009 ebenso in der Aufstellung wie 2014: Manuel Neuer, Jérôme Boateng, Mats Hummels, Benedikt Höwedes, Sami Khedira, Mesut Özil.

Natürlich ist das jetzt, auf den Tag genau acht Jahre später, die Geschichte, die alle am liebsten erzählen wollen: wie aus dem Mythos von Malmö der Pakt von Polen wird. Dass sich also Julian Pollersbeck, Max Meyer, Serge Gnabry, Davie Selke, Mo Dahoud und vielleicht sogar Jeremy Toljan beim Finale am Freitag gegenseitige Treue geloben und einen heimlichen Schwur leisten werden: jenen, dass auch sie in fünf Jahren gemeinsam Männer-Weltmeister werden, wenn auch blöderweise nicht in Brasilien, sondern dann halt bloß in Katar.

Es ist dieselbe Story wie damals, nur völlig anders. Die besten Spieler der aktuellen Junioren-Jahrgänge (u. a. Kimmich, Werner, Goretzka, Sané, Brandt, Can, Süle) sind - anders als damals - längst stabile Angehörige des A-Teams und international als Stützen der Gesellschaft anerkannt. Das ist die sehr gute Nachricht: Der deutsche Nachwuchs ist deutlich breiter aufgestellt als in Malmö 2009. Die etwas weniger sehr gute: Noch ist nicht sicher, wie viel Spitze aus dieser Breite entstehen wird. Die Scouts auf den Tribünen der U 21-EM führen keinen deutschen Einzelspieler unter den Top Drei oder Fünf des Turniers: Uneinholbar vorne liegen Saul Niguez und Marco Asensio vom ewigen Rivalen Spanien. Auf sie treffen die Deutschen im Finale.

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