Kommentar:Die Rastlosen

Immer aggressiv, immer nah am Ball - Ingolstadt und Stuttgart spielen einen ähnlichen Stil, nur: beim Aufsteiger klappt es besser.

Von Klaus Hoeltzenbein

Erlaubt ist, was nicht verboten ist, und so hat die Idee ja durchaus ihre Reiz, es einfach mal anders machen zu wollen als all die anderen. Die Hasenfüßigen, die Spaliersteher, die Maurermeister. Also als all jene, die, wie es neudeutsch heißt, den Bus vor dem eigenen Tor parken, sobald die rote Welle, sobald der FC Bayern am Horizont zu erkennen ist. Anders als zum Beispiel die Frankfurter. Die hatten in ihrem Heimspiel eine Woche zuvor sogar alle Gelenkbusse, die im Rhein-Main-Gebiet verfügbar waren, quer vor dem eigenen Tor geparkt, so dass selbst die Roten keinen Ritz mehr fanden, durch den sie hätten hindurchfluten können.

Belohnt wurde die Omnibus-Strategie der Frankfurter mit einem 0:0. Es ist deshalb schon ein sportlicher Wert an sich, dass der VfB Stuttgart nur in einem einzigen Mannschaftsbus zum FC Bayern reiste und den dann brav vorm Stadiontor abstellte. Und dies, obwohl der Offensiv-Prediger Zorniger bereits vor dem Viererpack in München über die poröseste Abwehr der Liga befehligte. Dieser Zorniger-VfB ist mutig, sagen viele, denn dort, wo derzeit Spektakelfußball ist, ist der VfB oft mittenmang dabei. Dieser Zorniger-VfB ist übermütig bis zur Selbstvernichtung, entgegen jene, die aktuell an ihm verzweifeln.

Aufgrund seiner Historie fühlt sich der VfB viel größer, als er es derzeit ist. Das ist der Unterschied zum FC Ingolstadt, der weiß, dass er klein ist. Der sich auch nicht dafür schämt, sich oft noch ein bisschen kleiner zu machen und der sich dann selbst wundert, auf welches Niveau sich die anderen, die vermeintlich Größeren, herunterziehen lassen. Mit ihrer gruppendynamischen Guerilla-Strategie trieben die Überraschungs-Aufsteiger nun auch die Gladbacher zu einem 0:0 und in wilde Verzweiflung, derweil der eigentlich besser gestellte VfB wieder einmal ins Verderben rannte.

Ein 0:4 in München ist kein Betriebsunfall, nur ist es eben so, dass Trainer Hasenhüttl beim FCI und Trainer Zorniger beim VfB einen ähnlichen, einen aggressiven Ansatz predigen: Immer ganz weit vorne pressend, immer rastlos den Ball jagend, immer lästig nah am Mann. Allerdings ist der FCI im Untergrund ausgebildet, in der zweiten Liga; er hat diesen Stil, den sie in entwaffnender Selbstironie selbst "ein bisschen eklig" nennen, in Sandhausen, Darmstadt oder Aue geschult. Es ist der Stil eines Außenseiters, der clever seine Talente optimiert.

Und der in der Tabelle deutlich vor dem VfB steht, welcher jedoch kein Novize, sondern fünfmaliger deutscher Meister ist. Und der sich nun ständig mit der Frage konfrontiert sieht, ob diese Rastlos-Rennerei wirklich auf ihn zugeschnitten werden kann. Oder ob dieser Fußball ohne Atempause und Kontrolle nicht zu kleineren Standorten viel besser passt.

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