Junge Trainer in der Bundesliga:Sie verwandeln Ausgebremste in Raketen

FC Schalke 04 - RB Leipzig

Schalkes Trainer Domenico Tedesco scheint die richtige Sprache gefunden zu haben.

(Foto: Ina Fassbender/dpa)

Sind die Trainer die wahren Stars der Liga? Zumindest Julian Nagelsmann und Domenico Tedesco zeigen schon am ersten Spieltag, dass sie Spieler besser machen können.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Was von Felix Magath in Erinnerung blieb, ist weit mehr als nur der Teebeutel. Mit diesem würzte er regelmäßig seine Denkpausen, ließ ihn über der Tasse pendeln, und wenn der Tee gezogen hatte, förderte er revolutionäre Ideen zu Tage. Zum Beispiel jene, wonach es den Profis guttäte, Medizinbälle anstatt der leichten Fußbälle über Hügel und Berge zu schleppen. Weshalb Felix zwar als Quälix bekannt war, was ihm zur Stärkung seiner Autorität aber nicht genügte. Und so verließ er 2012 die Bundesliga als Unzufriedener. War doch die revolutionärste seiner Forderungen nie Realität geworden: Ein Trainer, so Magath, müsse stets mehr verdienen als der Bestverdiener seiner Untergebenen. Sonst könne es immer wieder zur Meuterei kommen, sobald die Medizinbälle anrollen.

Inzwischen ist Quälix Felix - der Letzte, der dem FC Bayern oder Borussia Dortmund die deutsche Meisterschaft vereiteln konnte (2009 mit dem VfL Wolfsburg) - in einem Land gelandet, in dem der Teebeutel noch eine Sonderstellung genießt. Wie hoch sein Gehalt in China ist, bleibt ein Geheimnis, aber Magath dürfte dort seiner Idee, mehr Renminbi zu verdienen als der größte Star im aufstrebenden Team von Shandong Luneng, näher gekommen sein. Freilich bekommt er nun nicht mehr hautnah mit, wie rasant sich in der Heimat vieles in seinem Sinne verändert hat. Zwar verdient noch längst kein Übungsleiter mehr als Lewandowski, Neuer oder Müller in München, als Reus, Götze oder Aubameyang in Dortmund, aber der Status der Trainer hat sich generell verbessert. Eigentlich sind sie spätestens seit den Klopp-und-Guardiola-Tagen die wahren Stars der Liga.

Beide wurden exportiert, beide setzen ihre Rivalität nun in England fort, Jürgen Klopp beim FC Liverpool, Pep Guardiola bei Manchester City. Trotzdem muss sich um den Trainer-Nachwuchs hierzulande augenscheinlich niemand sorgen. Jedenfalls nicht heute, da die Klasse von 2016 die Szene vitalisiert. Länger ist es noch nicht her, dass Domenico Tedesco, der Jahrgangsbeste, und Julian Nagelsmann, der Zweitbeste, an der Trainerakademie das Diplom bekamen. Am Samstag wurde Nagelsmann schon vor dem 1:0-Startsieg seiner TSG Hoffenheim als "Trainer des Jahres" geehrt. Derweil führte der nicht gar so forsch, aber ähnlich fokussiert auftretende Tedesco bei der 2:0-Premiere auf Schalke vor, dass sich sogar dort modern Fußball spielen lässt.

Wo man den scharfen Blick trainiert? In den Jugendteams!

Dies könnten, falls der frühe Eindruck nicht völlig täuscht, mehr als Momentaufnahmen bleiben. Denn bei beiden hat es den Anschein, als würden sie Spieler besser machen können. Beispiele wurden schnell geliefert. Der von Tedescos Vorgänger ausgebremste Konopljanka entpuppt sich plötzlich als Rakete; und Nagelsmann vertraut in Kevin Vogt längst einem Abwehrchef, der andernorts nicht nur aufgrund seiner 1,94-m-Körpergröße als grobmotorisch abgelehnt wurde.

Wo man den scharfen Blick fürs Personal üben kann? In den Jugendteams! Dort dürfte ein wegweisender Grund dafür zu suchen sein, dass an den Spielfeldrändern heute nicht die früheren Fußball-Größen wie Lothar Matthäus, Mehmet Scholl oder Stefan Effenberg befehlen, die sich ja auch schon dort versuchten. Sondern einer wie Tedesco, 31, dessen Start in die Trainerlaufbahn bei der zweiten F-Jugend des ASV Aichwald erfolgte.

Kollege Nagelsmann, 30, der seinen Profi-Traum früh begraben musste, hatte bereits Hunderte Jugendspiele auf Spitzenniveau gecoacht, er hatte alle Systemwechsel auf kleiner Bühne erprobt, ehe er in der Bundesliga losgelassen wurde. Gewiss ein Vorteil gegenüber den Größen von einst: Die können zwar jedes Spiel intuitiv lesen, doch nicht jeder kann das Erlesene auch vermitteln. Die Nagelsmänner hatten sehr viel Zeit, um das Trainieren zu trainieren. Die Stars hingegen prägten die alten Teebeutel-Tage und verdienten dabei ein Vielfaches ihrer Chefs.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: