Kommentar:Desaströs

Die Fifa gibt sich geläutert und kernreformiert. Doch das Bild, das der Insider Miguel Maduro im britischen Parlament schildert, zeigt eher fröhliches Despotentum und gäbe viel Stoff fürs Kabarett her. Der Weltverband braucht dringend Eingriffe von außen.

Von Thomas Kistner

Die Missstände sind evident. Trotzdem ist erhellend, wenn sich eine kompetente Stimme aus dem Innern der angeblich geläuterten, kernreformierten Fifa meldet: Miguel Maduro, bis Mai Chef des Fifa-Governance-Komitees. Das Urteil des Ex-Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof zur ethischen Verfassung des Weltverbandes: desaströs.

Im britischen Parlament schilderte Maduro jetzt ein fröhliches Despotentum, das viel Stoff fürs Kabarett hergäbe, beträfe es nicht die größte Unterhaltungsindustrie des Globus. Herrlich, wie sich ein Erdteilverband jeder Änderung seines Wahlprozederes verweigerte, weil die zu besetzenden Ämter unter der Hand alle schon vergeben waren. Großartig, wie beim Umkurven dieser blöden Frauenquote sinnfreie Posten kreiert werden. Oder dieses Anekdötchen: Profilierte Leute wie Maduro dürfen gerne die große Reform von Fifa-Boss Gianni Infantino überwachen. Aber nur, wenn sie auf die Regeln pfeifen. Wer diese anwendet, wird ohne Debatte abgesägt. Denn in der geläuterten Fifa endet saubere Geschäftsführung weiterhin da, wo Amtsträger in Gefahr geraten, ihre millionenschweren Posten zu verlieren.

Maduro ist nicht irgendwer: Nächste Woche wird er dem EU-Parlament aus dem Herzen der Fußball-Bananenrepublik berichten. Das ist wichtig. Spätestens der Kahlschlag, den Infantino jüngst an seinen allzu humorlosen Aufsehern in Governance- und Ethikkomitee vollzog, beweist: Diese Organisation ist unfähig zur Selbstreform. Sie ist dazu nicht willens.

Für die Fifa wächst die Gefahr, bei den Mafia-Ermittlungen der US-Justiz in den Täter-Status zu geraten. Letztere hat die Fifa wiederholt in scharfem Ton zu sauberer Geschäftsführung aufgefordert, sie nimmt Vorträge wie den Maduros genau zur Kenntnis. Jetzt hört sie, dass ihn die Fifa-Spitze zur Regelbeugung genötigt und abgesägt habe, als er nicht mitspielte. Sie hört, dass die Fifa dem ebenfalls gefeuerten Chefermittler Cornel Borbely den Parlamentsauftritt verbat. Und bald wird sie erleben, dass Borbelys Nachfolgerin Claudia Rojas, die zu Hause in Kolumbien Nähe zu fragwürdigen Funktionären aufweist, trotz klarer Vorgaben des Ethikcodes hier nicht ermitteln wird.

Eine Spekulation - auf die gewettet werden darf. Der Tanker Fifa ist so wenig wie sein Schwesterschiff IOC vom falschen Kurs abzubringen. Weil sich die Besatzung aus sich selbst rekrutiert und weil Tanker nur sehr langsam die Richtung ändern, braucht es massive Eingriffe von außen. Da tut sich immerhin viel Ermutigendes. Strafbehörden in aller Welt spülen die wahren Werte dieses Sports an die Oberfläche: transnationale Schwarzgeldflüsse, korrupte Wahlen, Kungelei mit der Politik. Diese Ermittlungen sind dynamisch und ersten Domino-Effekte in Sicht.

Im selben Maße werden Teile des Publikums unruhig: Eingedenk absurder Spielertransfers im Viertelmilliarden-Bereich, künftiger WM-Turniere im Sport-für-alle-Format oder auch im Hinblick auf eine WM, die 2018 beim Tabellenführer aller Sportskandale stattfindet, in Russland.

Die Politik teilt das wachsende Unbehagen, sie hat die Aufgabe, mafiösen Systemen Grenzen zu setzen. Maduro empfiehlt den Staaten Standards, die Weltverbände zu erfüllen haben, wenn sie dort ihre Geschäfte verrichten wollen. Tatsächlich würde es schon reichen, wenn klare Standards zur Sauberkeit in der ersten Welt einzuhalten wären. Wer in England, Deutschland oder den USA mit seinem Gut nicht wirtschaften darf, könnte es bald nur noch in Autokratien tun oder auf Palminseln, die im Fußball zu viele Stimmen haben, aber keine Rolle spielen.

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