Kommentar:Delzepichs der Moderne

1:0 für Köln: Modeste. 1:0 für Schalke: Huntelaar. 1:0 für Leverkusen: Kießling. Der Pokal-Trend: Die Stürmer sind im Kommen.

Von Philipp Selldorf

1:0 für den 1. FC Köln: Anthony Modeste, 1. Minute. - 1:0 für Schalke: Klaas-Jan Huntelaar, 3. Minute. - 1:0 für Leverkusen: Stefan Kießling, 15. Minute. So fing es an und so ging es weiter am Pokal-Wochenende: Luc Castaignos traf im ersten Spiel für Eintracht Frankfurt, Anthony Ujah erlöste Bremen in Würzburg von seinem Leid, Daniel Ginczek schoss das Siegtor für Stuttgart in Kiel, und Bas Dost erzielte kurz vor der Pause mit großer Selbstverständlichkeit ein Tor für den VfL Wolfsburg, obwohl bis dahin kaum zugegen war.

Bevor also andere Schlaumeier diese Häufung von Indizien wahrnehmen und sich für ihre Zwecke zunutze machen, melden hiermit wir das Copyright auf die Entdeckung des ersten Trends der neuen Saison an: Die Mittelstürmer profilieren sich wieder als maßgebende Figuren im Fußball und erhalten die Anerkennung in der Fachwelt, die ihnen schon von Amts wegen zustehen sollte.

Der klassische monokulturelle Torjäger hatte in den vergangenen Jahren ja einen starken Ansehensverlust erlitten. Stürmer, die wie Toni Polster, Oliver Bierhoff, Roy Makaay oder gar Günther Thiele (Düsseldorf) und Günter Delzepich (unvergesslicher Aachener) ihre alleinige Bestimmung darin sahen, Tore zu erzielen, wurden noch vor nicht allzu langer Zeit vom Publikum geachtet und verehrt, obwohl diese Männer den Rest ihrer Einsatzzeit mit Rumstehen, Sonnenbräunen und Kaffeetrinken verbrachten. Dann aber hat sich das Fußballspiel beschleunigt, und der stillstehende Mittelstürmer wurde zum Anachronismus wie der Stehgeiger, dem es einst als faules Genie genügte, das Volk mit gelegentlichen Geniestreichen zu erfreuen.

Der hochmobile, fleißige und idealerweise spielfreudige Mittelstürmer im Jahr 2015 hat nicht mehr so viel gemein mit dem Mittelstürmer von 2005 oder von 1987. Mario Gomez, ein Spieler, der immer schon als ein wenig unzeitgemäß galt, hat es jetzt zu spüren bekommen, als er sich auf einmal in der türkischen Süper Lig wiederfand statt in der Bundesliga oder Premier League. Aber es ist durchaus so, dass viele Trainer den Wert eines Torjägers wieder mehr zu schätzen wissen - und dass sie bereit sind, ihm die segensreiche Arbeit zu erleichtern.

Christian Streich in Freiburg ist einer dieser klugen Trainer, die das haargenau erkannt gaben. Für welchen Spieler hat der Sportclub das meiste Geld ausgegeben? Für den Mittelstürmer Nils Petersen. Und welcher Spieler hat seinem Team in den ersten beiden Spielen mit seinen Treffern goldene Siege beschert und führt die Schützenliste in der zweiten Liga an? Nils Petersen. Und wer schoss den SC Freiburg an diesem Pokal-Wochenende 1:0 in Führung: Jeder kennt jetzt die Antwort.

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