Kommentar:Dampfer in voller Fahrt

Der Deutsche Skiverband kommt mit viel Schwung aus der Nordischen WM in Lahti. So träge das Leistungssport-System generell wirkt - die Erfolge zeigen, Geduld lohnt. Doch die ist nicht mehr so gefragt auf der obersten deutschen Sportebene.

Von Volker Kreisl

Im deutschen Wintersport arbeiten seit einiger Zeit auch viele nichtdeutsche Trainer. Sie stammen unter anderem aus den Niederlanden, aus Österreich, aus Norwegen. Sie bringen viele Ideen mit, aber manchmal wähnen sie sich, wie einer mal sagte, auf einem Ozeandampfer. Wolle man in Deutschland etwas verändern, müsse man einen Dampfer bei voller Fahrt wenden, in Norwegen zum Beispiel sei alles flexibler, man fühle sich in einem Ruderboot.

Der deutsche Sport in seiner Vielfalt ist eben auch kompliziert mit all den föderalen Ebenen und Kadern, Kompetenzen und Kompetenz-Kompetenzen. Für einen neuen Trainingsplan muss erst einmal der Landestrainer und dann noch der Heimtrainer gewonnen werden, und für ein richtiges neues Konzept mitsamt neuer Philosophie, wie es Werner Schuster den Skispringern vor einer Dekade zu vermitteln begann, braucht man Jahre. Andererseits kommt eben auch etwas heraus, wenn jemand hartnäckig bleibt, sich durchsetzt und die Teams einschließlich ihrer Schüler und Junioren auf den langen, neuen Kurs bringt.

Die Deutschen schwören auf ihre Leistungszentren

Der Deutsche Skiverband (DSV) ist verglichen mit der internationalen Konkurrenz ein großes Schiff, das gerade unter Volldampf fährt. Nach der Nordischen Ski-WM in Lahti geht es nun noch in allen Skidisziplinen um Siege im Gesamtweltcup oder um weitere Erfahrungen für die Olympischen Winterspiele in Südkorea 2018. Und während der Titelkämpfe mit sechs Siegen und insgesamt elf Medaillen stachen in den Disziplinen Springen und Kombination nicht nur einzelne Weltklasseleute hervor, sondern jeweils drei stark besetzte Teams.

Während in Skandinavien eher in Klubs trainiert wird, die übers Land verteilt sind, schwören die Deutschen auf ihre Leistungszentren. Die Athleten stecken zusammen, kapieren Änderungen schneller und schauen mehr voneinander ab. In Bad Endorf trainieren zum Beispiel die Springer Carina Vogt, Andreas Wellinger und Markus Eisenbichler, aktuelle Medaillengewinner. Und in der Kombination läuft das vor zehn Jahren erschaffene System einschließlich internen Wettstreits dermaßen rund, dass man sich bald an der Grenze dessen befindet, was für die allgemeine Spannung noch verträglich ist. Die Deutschen begannen in Lahti mit einem clean sweep, dem kompletten Podest wie am vergangenen Freitag. Und sie beendeten ihren Auftritt eine Woche später mit einem WM-Sweep, Johannes Rydzeks vier Goldmedaillen. Die Langläufer dagegen stehen noch am Anfang eines neuen langen Weges, auch wenn sich bei den Frauen in Katharina Hennig, Victoria Carl und Sophie Krehl die künftige Generation schon vorgestellt hat.

Die oberste deutsche Sportebene hat vor vier Monaten beschlossen, das träge System zu verschlanken, Trainerstellen abzubauen und Stützpunkte zu schließen. Verbände ohne glorreiche Zukunft sollen denen mit Medaillenaussicht weichen. Es geht um Effizienz und Tempo. Tatsächlich erreicht man nachhaltigen Erfolg aber auch im Sport nur über geduldige und lange Aufbauarbeit. Lahti hat es gerade gezeigt.

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