Kommentar:Absurder Rabatt

Wegen seiner Verdienste um den Sport wurde Sepp Blatters Sperre verkürzt. Das ändert zwar nichts in der Sache; in sechs Jahren wird der dann 86-Jährige nicht in den Fußball zurückkehren. Es ist aber ein symbolischer Akt, der wenig durchdacht wirkt.

Von Thomas Kistner

Bittere Tage sind das für Sepp Blatter; und für seine Entourage, die an hohen Fifa-Feiertagen stets in Truppenstärke einzurücken pflegte. Das ist vorbei, sie alle müssen draußen bleiben, wenn an diesem Freitag der neue Präsident des Fußball-Weltverbandes gekürt wird. Am Mittwoch verwarf die Fifa-Berufungskommission Blatters Einspruch gegen die Acht-Jahres-Sperre durch das Ethikkomitee, und dass ihm (wie seinem Schicksalsgenossen Michel Platini) ein Strafrabatt von zwei Jahren zugestanden wurde, kann ihn da kein bisschen trösten.

So haftet dem Sonderkongress ein Stück Geschichte an: Es ist der erste Blatter-freie seit 40 Jahren. Der erste ohne den ewigen Patron, der die Fifa seit 1981 als Generalsekretär (sprich: hauptamtlicher Chef) und seit 1998 als Präsident befehligt hatte. Über vier Dekaden hat er den Verband in jene Sumpflandschaft geführt, die nun die ganze Organisation ins Wanken und ins Visier internationaler Strafermittlungen gebracht hat.

Berufungskammer verweigert Blatter einen letzten Auftritt

Dieser Teil seiner Funktionärsvita dürfte für Blatter stets ein blinder Fleck bleiben. Bis zuletzt rang er vor den Sportinstanzen darum, beim Kongress einen letzten großen Auftritt hinlegen zu dürfen, zur Not auch dank einer einstweiligen Verfügung. Die Fifa-Berufungskammer unter Larry Mussenden (Bahamas) hat ihm diesen letzten Wunsch verweigert. Zugleich hat sie aber im erkennbaren Bestreben, kurz vor der hitzigen Zürcher Wahlschlacht nicht zu sehr bei alten Blatteristen anzuecken, ein denkwürdiges Urteil in die Fußballwelt gesetzt: Wegen seiner Verdienste um den Sport wurde Blatters Sperre verkürzt. Das ändert zwar nichts in der Sache; in sechs Jahren wird der dann 86-Jährige nicht in den Fußball zurückkehren. Es ist aber ein symbolischer Akt, der wenig durchdacht wirkt: Die Kammer stößt damit ein Tor für alle auf, die um Strafmilderung ersuchen. Verdienste um den Fußball - kann die nicht jeder Funktionär reklamieren?

Zur Nagelprobe wird nun der Fall Harold Mayne-Nicholls, der unlängst für sieben Jahre gesperrt wurde, weil er 2010 als Chef der WM-Prüfkommission in Katar nachgefragt hatte, ob sein Nachwuchs dort mal ins Trainingslager dürfe. Dass der Chilene dafür strenger bestraft wurde als Blatter/Platini, die ohne Vertragsgrundlage zwei Millionen aus der Fifa-Kasse transferierten, ist absurd.

Warum Mussenden so gnädig war? Es bleibt Spekulation. Offenbar will auch der Mann noch etwas werden im Weltfußball; ihm werden Ambitionen auf das Präsidentenamt im Kontinentalverband von Nord- und Mittelamerika nachgesagt. Im Mai kürt die Concacaf ihren neuen Boss, und damit übrigens den Nachfolger von Jeffrey Webb und Jack Warner. Webb läuft heute mit Fußfesseln durch New York und wartet auf seinen Prozess. Warner, der ungekrönte König unter all den Handaufhaltern in der Fifa, wartet auf seine Auslieferung.

Die Wahl an diesem Freitag wäre sehr nach ihrem Geschmack gewesen: Auch da werden die Stimmen aus der Concacaf eine bedeutende Rolle spielen.

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