Koller trainiert Österreich:Der Anti-Peppi kämpft gegen den Schmäh der Cordoba-Helden

Freunde österreichischer Folklore müssen künftig sehr tapfer sein: Der Fußballverband holt mit dem Schweizer Marcel Koller einen besonnenen Trainer für seine Nationalmannschaft. Herbert Prohaska stichelt schon mal, U21-Coach Andreas Herzog ist sauer.

Christof Kneer

Auch in Tirol scheint am Dienstag eine wunderschöne Sonne vom Himmel, aber Andreas Herzog klingt eher bewölkt. Er hat nicht viel Zeit zum Telefonieren, die nächste Trainingseinheit steht gleich an, er muss Österreichs U21-Junioren auf ein EM-Qualifikationsspiel vorbereiten.

New Austrian coach Marce Koller presentation

Ein Schweizer in Österreich: Marcel Koller soll die ÖFB-Elf endlich wieder zu einem großen Turnier führen.

(Foto: dpa)

Für Herzog ist es praktisch, dass er gleich ein Training leiten wird, es fordert ihn und lenkt ihn ab. Er hat keine Zeit, sich zu ärgern. Ob er sauer sei, dass der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) den Schweizer Marcel Koller als neuen Teamchef präsentiert hat und nicht ihn, den treuen Andy? "Ich hab' da schon meine Meinung", sagt Herzog, "aber die werd' ich nicht öffentlich preisgeben. Es ist halt wieder mal ein anderer geworden, okay, dann soll's halt so sein. Das ist jetzt das dritte Mal."

Nach profundem und professionellem Vorgehen" habe man Marcel Koller "aus einer Fülle guter Kandidaten ausgewählt", erklärte fast zeitgleich ÖFB-Präsident Leo Windtner im burgenländischen Oberwart. Richtig daran ist, dass sie die anderen Kandidaten profund und professionell verprellt haben. Der Herzog Andy ist bei allem Ärger ein loyaler Bursche, er wird seinen bis 2012 datierten Vertrag als U21-Coach erfüllen, "aber was dann wird, weiß ich noch nicht".

Er ist seit 2005 im Verband, er hat mit angesehen, wie sie ihm erst den Tschechen Karel Brückner vorzogen und dann den Didi Constantini. Immerhin haben sie diesmal konkret mit ihm verhandelt, wie mit Christoph Daum, Franco Foda und dem Schweden Lars Lagerbäck. "Nach dem ersten Gespräch hab ich aber nichts mehr gehört, von daher war mir eh' klar, dass es nix wird", sagt Herzog. Er versucht, das nicht persönlich zu nehmen, er kennt ja seinen Wettbewerbsnachteil. Er ist Österreicher. "Kann gut sein, dass das ein Grund war", sagt er.

Mit der Wahl des unspektakulären Ausländers Marcel Koller hat sich der Verband tatsächlich für ein klares Gegenmodell entschieden. Sonst wurden zumeist spektakuläre Inländer genommen, wie Didi Constantini, ein lässiger Mann mit Skilehrer-Charme, zu dessen herausragendsten Karriere-Leistungen es gehört, irgendwann mal Ernst Happel über den Weg gelaufen zu sein. Die meisten von Didis Vorgängern waren besser bekannt unter ihren Kampfnamen Peppi (Hickersberger), Schneckerl (Prohaska) und Goleador (Krankl), lustige Burschen allesamt, zu deren herausragendsten Karriere-Leistungen es gehört, den Piefkes bei der WM 1978 die Schmach von Cordoba zugefügt zu haben.

Seither haben sie den österreichischen Fußball in wechselnden Funktionen im Griff. Wenn sie nicht gerade selber Teamchef sind, schreiben sie Kolumnen für Boulevardzeitungen, in denen sie mit hinterhältigem Schmäh über den Teamchef lästern (aufgrund eines noch nicht näher untersuchten Zufalls gibt es in Österreich ungefähr genau so viele Boulevardzeitungen, wie es Helden von Cordoba gibt).

Erfinder von Lukas Podolski

Handwerklich war die öffentlich geführte Trainersuche des Verbandes von imponierender Unbeholfenheit, aber das ist nichts, was gegen Marcel Koller verwendet werden darf. Der 50-Jährige ist ein Anti-Peppi, ein trockener, von jeglichem Schmäh weiträumig umfahrener Schweizer, der sich bei seinen Stationen in der deutschen Bundesliga (Köln, Bochum) einen sehr seriösen Ruf erwarb.

Koller gilt als Erfinder von Lukas Podolski, er hat das Talent des damals 18-Jährigen erkannt und ausgebaut, und in Bochum förderte er einen jungen Linksverteidiger, den er jetzt im neuen Job wiedertrifft. Kollers Berufung sei "eine Super-Sache", sagt Österreichs inzwischen in Schalke untergekommener Nationalspieler Christian Fuchs, der Coach lege "viel Wert auf Taktik, er kann gut mit Spielern umgehen und ist ein sehr besonnener Mensch". Er ist sogar so besonnen, dass Freunde österreichischer Folklore künftig sehr tapfer sein müssen.

Koller wird sich nicht wie Didi Constantini nach der offiziellen Pressekonferenz zu den Journalisten stellen und ein inoffizielles Weißbier mit ihnen trinken. Er werde aber "alles dafür tun, dass wir mit Leidenschaft spielen und die Fans mitnehmen", sagte Koller am Dienstag. Er wird im November beginnen, die letzten Qualifikationsspiele coacht vertretungshalber Sportdirektor Willi Ruttensteiner.

Ohne Koller zu nahe zu treten: Solche Trainer haben wir in Österreich genügend", stichelte Schneckerl Prohaska, kaum dass die Personalie bekannt war, in der Kronen Zeitung. Es geht schon los.

Marcel Koller wird dieses spezielle Milieu noch kennenlernen, aber wer diesen vernunftbetonten Denker kennt, traut ihm zu, dass er sich von subversivem Schmäh nicht aus der Ruhe bringen lässt. Koller weiß natürlich, dass er ein Kompromisskandidat ist. Plan A wäre die kleine, die österreichische, die Andy-Herzog-Lösung gewesen. Plan B wäre die große Lösung gewesen, jene mit Christoph Daum, aber im Verband haben sie Sorge gehabt, dass ihn dieser schrille Mensch über den Kopf wachsen könnte.

Marcel Koller ist Plan C. Er ist kein Österreicher, aber er versteht ihre Sprache, und er geht davon aus, dass Österreicher nur dann etwas gegen Schweizer haben, wenn sie aus Versehen die Abfahrt in Kitzbühel gewinnen.

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