Köln:Nur Mut

Bayern München - 1. FC Köln

Zuspruch: Kölns Trainer Peter Stöger redet auf Simon Zoller ein, der wenige Minuten zuvor den möglichen Siegtreffer vergeben hat.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Das Paradoxe an Trainer Stögers pädagogischem Ansatz ist: Die Mannschaft ist dieses Jahr auch deshalb eine andere, weil sie noch fast dieselbe ist - aber aus ihren Fehlern gelernt hat. Sie spielt längst nicht mehr so exzessiv abwartend, sonder agiert selbst.

Von Sebastian Fischer

Wenn es einen Moment gibt, der den Erfolg des 1. FC Köln erklärt, dann war es dieser nach dem Spiel in München: Während fast alle Kölner den Punktgewinn beim Meister feierten, stand der Stürmer Simon Zoller schmollend allein auf dem Rasen, also ging der Kölner Trainer Peter Stöger auf ihn zu und fasste ihn mit beiden Händen am Hals, liebevoll natürlich. Stöger redete auf den Stürmer ein, es war ein kurzes, intensives Gespräch, dessen Inhalt der Trainer später verriet. Er habe Zoller erklärt, dass "er alles richtig gemacht hat".

Zoller, das muss man wissen, hatte ein paar Sekunden vorher die Chance zum Sieg vergeben, als er den Ball alleine vor Münchens Torhüter Manuel Neuer am Tor vorbeischoss. Stögers Aussage war also relativ mutig; ihre Intention war Harmonie, und ihre Sinnhaftigkeit in der strategischen Sichtweise begründet, die Entstehung von Torchancen höher zu bewerten als ihre Nutzung. Stöger sagte über Zollers Lauf nach Pass von Artjoms Rudnevs: "Genau das sind die Laufwege, die wir von ihm verlangen, das ist seine Qualität. Wenn er den Laufweg so macht, wie er ihn macht, dann hat er alles richtig gemacht."

Kölns Mannschaft ist die gleiche - aber sie hat aus Fehlern gelernt

Ein bisschen Mut, ein bisschen mehr Harmonie und mehr als ein bisschen langfristiges Denken. So könnte man erklären, warum der 1. FC Köln nach sechs Spielen Tabellenvierter ist.

Wenn man den Manager Jörg Schmadtke danach fragt, wie im Sommer aus einer vergleichsweise biederen Mannschaft ein Team geworden ist, das an höhere Tabellenregionen anklopft, dann betont er erst mal freundlich aber bestimmt, dass es für so einen Quatsch noch viel zu früh ist. Und dann verrät er sinngemäß, dass Mut das neue Element im Kölner Spiel ist. Im Sommer feilten er und das Trainerteam an neuen taktischen Ansätzen. Weil der FC zu wenige Tore schoss, beschlossen sie, künftig zwei Stürmer aufzustellen anstatt einen. Das vorläufige Resultat: Yuya Osako und Anthony Modeste sind in starker Form, Letzterer erzielte mit einem artistischen Grätschsprung in München das 1:1, sein fünftes Saisontor. Und von der Bank können stets Rudnevs und Zoller kommen, auch weil Stöger offensiver wechselt als in der Vergangenheit.

Am Samstag spielte Köln eine Halbzeit lang wie das Team aus der Vorsaison, das in München chancenlos 0:4 verloren hatte. Dann erinnerte Stöger die Spieler daran, was sie sich vorgenommen hatten: mitzuspielen. Dass dies tatsächlich klappte, und dass der FC als erstes Team einen Punkt aus München entführte, das hat wiederum mit der Harmonie in einer erstaunlich lernfähigen Mannschaft zu tun. Schon während der ersten Halbzeit, erklärte Stöger, habe das Team die Taktik von einer Fünfer- zu einer Viererkette in der Abwehr geändert, selbständig. Das Paradoxe an Stögers pädagogischem Ansatz ist ja: Die Kölner Mannschaft ist in diesem Jahr auch deshalb eine andere, weil sie noch fast dieselbe ist - und aus ihren Fehlern gelernt hat; weil sie nicht mehr exzessiv abwartend spielt, sondern selbst agiert.

Wenn man von Jörg Schmadtke wissen möchte, ob all das vielleicht gar die kurzfristigen Ziele beeinflusst, sagt er übrigens, sich dazu frühestens nach zehn Spielen äußern zu wollen. Eine mutige Antwort ist allerdings auch dann eher unwahrscheinlich.

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