Klubs beschließen DFL-Sicherheitskonzept:Ein Gefühl von Unwohlsein bleibt

Die 36 Klubs der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga einigen sich auf eine 16-Punkte-Strategie gegen Gewalt in den Stadien. Damit sollen vor allem die forschen Innenminister zufriedengestellt werden. Vereine wie St. Pauli oder Union Berlin lehnen das vorgelegte Konzept jedoch ab.

Von Philipp Selldorf

Draußen vor der Tür standen diejenigen, über deren Wohlergehen drinnen beraten wurde. Ein paar Hundert Fußballfans aus dem ganzen Land hatten sich vor dem Kongresshotel im Frankfurter Bürohausviertel Niederrad versammelt, während die Vertreter der 36 Profiklubs diskutierten, wie sie künftig ihren Besuchern ein sicheres Stadionerlebnis garantieren wollen. Gegen die Kälte behalfen sich die Fans mit Mützen in den Farben ihrer Vereine, hier und da wärmten sie sich am Flaschenbier, sorgsam beäugt von der Polizei, die zwar ungleich besser gegen den Winter (und eventuelle Unruhen) gerüstet war, dafür aber aufs Bier verzichten musste.

Was die Fans mit ihrer Gegenwart bezweckten? Eben dies: In der einheitlichen Vielfalt Gegenwart zu zeigen. So wie sie während der vorigen Wochen in den Stadien auf ihre Anliegen aufmerksam gemacht hatten. Einige Bundesliga-Funktionäre, die etwas später angereist waren, bekamen es zu spüren, als sie sich durch den Pulk der Demonstranten zwängten. Martin Bader vom 1. FC Nürnberg etwa musste sich einiges anhören, aber er hat sich dem aufgezwungenen Gespräch auch nicht verweigert.

Dass die Vereine mehrheitlich den 16 Punkten zur Verbesserung der Sicherheit und Ordnung in den Stadien zustimmen würden, das war den Fans trotz allen Debatteneifers wohl bewusst. Als Reinhard Rauball, der Präsident des Ligaverbandes, in dem sich die 36 Klubs der ersten und zweiten Liga organisiert haben, kurz vor vier auf einer Pressekonferenz die Bilanz der fünf Stunden dauernden Tagung zog, offenbarte er im Grunde keine Neuigkeiten. Alle Anträge, einschließlich einiger hinzugefügter Änderungsanträge, seien "mit großer Mehrheit" beschlossen worden, das entsprach den allgemeinen Erwartungen.

Wichtiger als der Inhalt der Beschlüsse, über deren Formulierung bis aufs einzelne Wort und die Kommasetzung diskutiert wurde, war wohl der Beschluss als solcher: "Wir haben dies heute nicht für die Politik, die Innenminister und die Polizei gemacht, sondern in Wahrung unserer eigenen Verantwortung", betonte Rauball. Er fügte allerdings hinzu, dass die Botschaft der Versammlung sich auch und gerade an die Politik richtet: "Die Drohungen der vergangenen Wochen in Bezug auf die Aufwendungen der Polizei müssen mit dem heutigen Beschluss ein für allemal vom Tisch sein", sagte der Präsident von Borussia Dortmund und berief sich auf ein Treffen mit den Innenministern Schünemann (Niedersachsen) und Jäger (Nordrhein-Westfalen): "Uns ist zugesagt worden, dass mit der Androhung von Restriktionen Schluss ist, wenn wir eine Entscheidung treffen."

Ein Gefühl von Unwohlsein bleibt. "Es ist ein schmaler Grat, auf dem wir gehen", gab Rauball zu. Die DFL und die Profivereine waren aus zwei Richtungen unter Druck geraten: durch die Basis des Publikums, das den Profi-Fußball als Massenereignis trägt, und durch die politischen Vertreter der öffentlichen Ordnung, die das populäre Thema zu nutzen wussten. Die Klub-Vertreter fuhren in dem frommen Wunsch nach Hause, dass es ihnen gelungen wäre, beide Seiten zufriedenzustellen, zumindest halbwegs. "Wir können allen Fans versichern, dass die heutigen Beschlüsse die Fußballkultur nicht gefährden, sondern schützen", erklärte Rauball.

Leitplanken der Sicherheit

So wie der Fußball zwischen die Fronten gegensätzlicher Interessen geraten war, ist es wohl ein Erfolg, ein Votum erreicht zu haben, das die erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheiten weit übertraf. Einem Antrag auf Vertagung folgten 31 der 36 Klubs nicht. Skeptische Mitglieder wie der VfB Stuttgart, der mehr Zeit zur Beratung gefordert hatte, konnten überzeugt werden. Andersdenkende gab es dennoch im Saal.

Union Berlin, bekannt für eine besondere Nähe zu seinen Anhängern, erklärte in Gestalt von Präsident Dirk Zingler, es sei überflüssig, "symbolisch eine Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, die überhaupt nie in Frage stand". Union lehnte daher alle 16 Anträge ab. Im Ligavorstand hatte man dafür wenig Verständnis und verwies darauf, dass sich die Berliner der Zusammenarbeit verweigert hätten, indem sie sich aus der Arbeitsgruppe zurückzogen.

Die Beschlüsse werden sich auf den Stadionalltag (vorerst) nicht auswirken. "In dem Papier steht nichts, was es in der Vergangenheit nicht auch gegeben hat", erklärte Eintracht Frankfurts Vorstandschef Heribert Bruchhagen und konnte dabei ein spöttisches Lächeln nicht unterdrücken. Rauball sagte, "die jetzt verabschiedeten Beschlüsse sind Leitplanken, nach denen jeder einzelne Verein nach den regionalen Bedürfnissen zuhause vorgehen kann". So wie es bisher auch schon praktiziert wurde.

Dass bei heiklen Spielen das Ticketkontingent für Auswärtsfans reduziert wurde - ein Punkt auf der Antragsliste, über den sich Fan-Verbände ereifert hatten -, ist längst Praxis. So hat Borussia Mönchengladbach beim Derby gegen den 1. FC Köln im vorigen Jahr nur die Hälfte des sonst gängigen Kartenkontingents an die Gäste weitergereicht. "Der Heimverein hat die Haftung und muss die Sicherheit gewährleisten. Deswegen muss der Heimverein auch das Recht haben, zum Mittel der Kartenreduzierung zu greifen", betonte Peter Peters, Vizepräsident des Ligaverbandes.

"Die letzten Wochen waren emotional sehr aufgeheizt. Jetzt ist die Voraussetzung geschaffen, zur Sachlichkeit zurückzukehren", sagte DFL-Chef Christian Seifert. Er weiß wohl selbst: Viel länger als bis zum nächsten Zwischenfall wird die Diskussion nicht ruhen.

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