Klub-WM in Marokko:Vorspielen für Sugardaddy

Klub-WM in Marokko: Überraschend im Finale der Klub-WM: Raja Casablanca

Überraschend im Finale der Klub-WM: Raja Casablanca

(Foto: AFP)

Ganz Marokko hupt, lärmt und feiert: Mit dem Finaleinzug von Raja Casablanca bei der Klub-WM nimmt eine bisher lahme Veranstaltung Fahrt auf. Nur, kann der Gastgeber davon mittelfristig als potenzieller WM-Veranstalter wirklich profitieren?

Von Jonas Beckenkamp, Taliouine

Wenn in der marokkanischen Ödnis ein Hupkonzert durch die Nacht heult, muss etwas Besonderes passiert sein. Natürlich hat der plötzliche Euphorieschub mit Fußball zu tun. Die Marokkaner lieben, feiern und leben dieses Spiel, das ist spätestens seit dem zweiten Halbfinale der Klub-WM klar. In Marrakesch kam es am Mittwochabend zu einem sportlichem Erdrutsch, der so nicht zu erwarten war.

Mit dem 3:1 (0:0) von Raja Casablanca gegen die Brasilianer aus Mineiro erfüllten sich im Gastgeberland die wildesten Wünsche der Einheimischen - der populärste Klub des Königreichs fordert nun am Samstag im Spiel um den Titel der (derzeit) besten Vereinsmannschaft des Planeten den FC Bayern.

Wie es so weit kommen konnte, werden sie in Marrakesch tags danach selbst nicht mehr so genau wissen, es dürfte nach dieser magischen Partie aber egal sein. 35.219 Zuschauer erlebten im "Stade de Marrakech" eine Art Epiphanie in 1001 Nacht: Ihr Team sorgte durch Tore von Mouhssine Iajour (51.), Mouhssine Moutouali (84./Elfmeter) und Vivien Mabide (90.) für eine solche Ekstase, dass in den Souks der Stadt stundenlang die Teekannen rasselten.

Das zwischenzeitliche 1:1 durch einen Freistoß eines gewissen Ronaldinho (64.) - geschenkt. "Wir sind alle Rajaner", titelte die Zeitung Le Matin und berichtete stolz von "einem unvergesslichen Fußballabend." Die Bayern erwartet somit ein Gegner, der zu allem fähig ist. Als Gastgeberteam behauptete sich Marokkos Meister zunächst gegen Ozeanientitelträger Auckland City mit 2:1, ehe er im Viertelfinale die Mexikaner von CF Monterrey nach Verlängerung mit dem selben Resultat niederrang.

Vielleicht nimmt durch diese Volte des Fußballschicksals das merkwürdige Event Klub-WM doch noch Fahrt auf. Bisher war von Ausgelassenheit und Turnier-Atmosphäre bei den Spielen ohne Beteiligung des Heimteams kaum etwas zu spüren. Als die Bayern im Vorbeigehen ins Finale einzogen, wollte sich auch Sepp Blatter ein Bild vom Ambiente in Agadir machen. Der Fifa-Boss schüttelte fleißig Hände, plauderte mit Bayern-Präsident Uli Hoeneß und erlebte dann, wie die Münchner eine hilflose Elf aus Guangzhou fachgerecht zerlegten.

Vom großen Spektakel, wie es der Weltverband gerne in der Öffentlichkeit verkauft, war da noch nichts zu sehen. Ein Blick in die schmucke, aber halbleere Arena am Atlantik offenbarte eher Tristesse als großes Theater. Neben Blatter sollen nach offiziellen Angaben des Veranstalters noch weitere 26.999 Zuschauer des Spiels der Bayern gegen die Chinesen dabei gewesen sein bei diesem schnöden Schauspiel. Bei einem Fassungsvermögen von mehr als 45.000 Zuschauern ist das eine ernüchternde Zahl - wenn sie denn überhaupt stimmt.

Viele Einheimische hätten sich gewiss gerne auch die Bayern angesehen, aber bei Eintrittspreisen von umgerechnet 40 bis 80 Euro im nagelneuen "Stade Adrar" von Agadir hört der Spaß auf.

Marokko ist ein Land, das sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten langsam modernisiert hat. Die Öffnung nach Europa erfolgt in dem muslimischen Königreich vor allem durch den Tourismus. Für eine horrende Summe ins Fußballstadion zu gehen, können sich nur wenige leisten. Und so bevölkerten die Ränge vor allem urlaubende Bayern-Fans - und Chinesen.

"Niemand wollte dieses Turnier"

"Wirtschaftlich bringt die Klub-WM unserem Land nichts", sagt Abdelilah Mouhib, der für die Zeitung Al Massae ("Der Abend") über das Turnier berichtet. Vielmehr stünden die 100 Millionen Euro, die am Spielort Agadir in den Bau der Arena flossen, in keinem Verhältnis zum gesellschaftlichen Nutzen. "Dieser Ort braucht keinen solchen Prachtbau, hier gibt es nicht einmal ein Spitzenteam", erklärt Mouhib. Ursprünglich war das Stadion mit den folkloristischen Lehmmauern im Zuge der marokkanischen Bewerbung für die WM 2010 geplant worden.

Doch aus der WM in Nordafrika wurde eine in Südafrika - und so zog sich die Fertigstellung bis zum Oktober dieses Jahres hin. Jetzt thront am Hang über der Atlantikstadt ein moderner Fußballtempel, in dem an jedem Treppenaufgang Bilder von König Mohammed VI. hängen. Neben der Klub-WM 2013 und 2014 finden hier auch Spiele des Afrika Cups 2015 statt. Insgeheim jedoch schielen die Marokkaner auch auf die Ausrichtung der WM 2026 - befeuert von den Verheißungen Blatters. Die Klub-WM sei "ein echter Test", nach dem sich sagen ließe, ob das Land in der Lage sei, "eine Weltmeisterschaft zu organisieren". Vorspielen für den Sugardaddy, unter diesem Motto lässt der Fifa-Patron Länder wie Marokko zappeln.

"Sportlich ist es schön, dass Mannschaften wie die Bayern zu uns kommen", sagt Mouhib, "die Menschen freuen sich, wenn Ribéry hier spielt und die Welt über unser Land berichtet." Dass es deshalb aber mit der WM 2026 klappt, sei ein Trugschluss, zumal nach 2022 in Katar wohl kaum erneut ein arabischer Gastgeber dran sein wird. Die Verlegung der Klub-WM von Japan nach Marokko ist derweil ein Resultat reiner Pragmatik: Nach Jahren ungünstiger Anstoßzeiten für europäische Fernsehgewohnheiten, bietet Nordafrika ein besseres Verbreitungsfeld.

Außerdem fehlte schlichtweg ein anderer Anwärter mit Lust auf die große Sause, wie Mouhib bestätigt: "Niemand wollte dieses Turnier." Marokko war als einziges Land bereit, 34 Millionen Euro Budget - laut der Zeitung L'Economiste - für den Wettbewerb zusammenzukratzen und als Ausrichter einzuspringen.

Vielleicht lohnt sich der ganze Aufwand jetzt immerhin ein bisschen. Dass Casablanca es bis ins Finale schafft, hätten sich wohl nicht einmal die erfinderischsten Märchenerzähler auf dem berühmten Djeema-El-Fna-Platz in Marrakesch ausmalen können.

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