Klitschkos dominieren das Schwergewichtsboxen:Wo gibt's hier einen Gegner?

Wegrennen, Kilos anfuttern, große Töne spucken: Alle Strategien gegen die Klitschko-Brüder sind chancenlos. Nach Vitalis souveränem Sieg gegen den Polen Adamek verzweifelt die Box-Szene bei ihrer Suche nach einem würdigen Gegner - doch zum Glück gibt's ja noch David Haye.

Jürgen Schmieder

Als Tomasz Adamek vor Beginn der zehnten Runde hinübersah zu Vitali Klitschko, dachte er womöglich an das Musikstück "Creep" der Band Radiohead. "Was zur Hölle mache ich hier?", heißt es im Refrain, "ich gehöre nicht hierher!" Zwei Minuten später hing Adamek wehrlos in den Seilen, der Ringrichter brach das ungleiche Duell ab. Klitschko gewann den Kampf durch technischen K.o. und bleibt damit Schwergewichts-Weltmeister des Verbandes World Boxing Council (WBC).

Vitali Klitschko vs. Tomasz Adamek

Vitali Klitschko (rechts) dominiert den Kampf gegen Tomasz Adamek.

(Foto: dapd)

Er ist ein durchaus talentierter Boxer, dieser Tomasz Adamek, er hat bereits Titel im Halbschwergewicht und im Cruisergewicht gewonnen. Beim Kampf in der Fußball-Arena in Breslau präsentierte er den 43.500 Zuschauern zehn Runden lang seine Nehmerqualitäten. Doch er gehört nicht in diese Gewichtsklasse - und er gehört nicht in einen Ring mit dem 14 Zentimeter größeren und zwölf Kilogramm wuchtigeren Klitschko. "Er ist nicht gut genug für das Schwergewicht", sagte Klitschko nach dem Kampf, "man kann nicht durch Essen Schwergewichtler werden, man muss zum Schwergewichtler geboren sein."

Der 34-jährige Pole hatte jedenfalls keine Chance, der Kampf erinnerte ein wenig an eine Szene aus einem Comicfilm: Der Größere hält seinen Gegner mit ausgestrecktem Arm am Kopf fest, der Kleinere fuchtelt bloß wild herum. "Ich habe eine Menge einstecken müssen und selbst kaum getroffen", sagte Adamek nach dem Kampf, "Vitali war der bessere Kämpfer."

Adamek rannte nicht weg vor Klitschko, wie es etwa Kevin Johnson getan hatte - und deshalb zumindest nicht niedergeschlagen worden war. Er stürmte aber auch nicht mutig nach vorne, übte kaum Druck aus, weshalb er keine einzige Runde für sich entscheiden konnte. "Einen Schlag hat er mir verpasst", sagte Klitschko - das ist in etwa, als würde der Bayern-Trainer Jupp Heynckes nach einem Spiel sagen: Doch, einmal sei der Gegner über die Mittellinie gekommen.

Vitali Klitschko dominierte den Kampf also von Beginn an, er schlug dabei keine spektakulären Kombinationen oder wuchtige Aufwärtshaken. Vielmehr brachte er immer wieder seine präzise linke Führhand an den Kopf seines Gegners - ein taktisches Stilmittel, das nicht unbedingt mitreißend ist, jedoch äußerst effektiv. Bereits in der zweiten Runde stand Adamek nach einer schönen Geraden Klitschkos auf wackligen Beinen, in der sechsten Runde wurde der Pole zum ersten Mal angezählt.

"Ich bin gestolpert"

Zu diesem Zeitpunkt verzichtete Klitschko bereits auf jede Form der Deckung, er hob seine Fäuste nur dann, wenn er schlagen wollte. In der achten Runde lag Klitschko dann kurzzeitig auf dem Boden, was jedoch weniger mit Adameks Schlagstärke zu tun hatte als mit dessen Fußstellung. "Ich bin auf seinen Fuß getreten und gestolpert", sagte Klitschko. Zwei Runden später prügelte er derart wild auf Adamek ein, dass der Kampf abgebrochen wurde.

Anzeige in der Zeitung?

Vitali Klitschko hat nun 43 seiner 45 Profikämpfe gewonnen, 40 davon durch Niederschlag. Bei seinen Niederlagen war er nicht bezwungen worden, sondern hatte jeweils in Führung liegend aufgeben müssen - gegen Chris Byrd wegen eines Sehnenrisses in der linken Schulter, gegen Lennox Lewis wegen stark blutender Platzwunden.

Nach diesem Kampf gegen Adamek stellt sich die Frage, ob es derzeit überhaupt jemanden gibt, der in einen Ring mit Vitali Klitschko gehört. Adamek war mitnichten ein masochistisch veranlagtes und gut bezahltes Opfer, er war der Pflichtherausforderer der WBC. Das unabhängige Ring Magazine führte ihn direkt hinter den Klitschkos und WBA-Titelträger Alexander Powetkin. "Er ist der beste Boxer der Welt", sagte Klitschko über Adamek, "nur nicht im Schwergewicht."

Das Versprechen für die Mutter

Im Grunde müsste der 40-jährige Klitschko nun eine Anzeige in der Zeitung aufgeben, in der steht: "Schwergewichts-Weltmeister sucht würdigen Gegner" - und genau genommen dürfte auf diese Anzeige nur sein Bruder Wladimir, 35, antworten, der Champion der Verbände IBF, WBO, WBA und IBO. Doch die Klitschkos haben einst ihrer Mutter in Kiew versprochen, niemals gegeneinander anzutreten.

Also darf David Haye, kürzlich gegen Wladimir unterlegen, erneut große Töne spucken: "Vitali ist 40, er wird irgendwann aufhören. Für sein Finale gibt es keinen besseren Gegner als mich. Ich werde ihn in Rente schicken. Aber ohne seinen WM-Gürtel."

Vitali Klitschko wird wohl, das hat er bereits angekündigt, auf das Angebot des Briten eingehen - aber nur deshalb, weil er beweisen möchte, dass auch der ehemalige Cruisergewichtler Haye nicht in einen Ring mit ihm gehört.

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