Klitschko-Gegner Bryant Jennings:Vom Hausmeister zum Haudrauf

Bryant Jennings

Bryant Jennings: Setzt auf seine Jugend

(Foto: dpa)

Sein Vorteil: die Armlänge. Bis vor kurzem war Bryant Jennings nur Gelegenheitsboxer. Nun darf er gegen Wladimir Klitschko um die Weltmeisterschaft kämpfen. Und ist dessen ungewöhnlichster Gegner seit langer Zeit.

Von Saskia Aleythe

Ein anständiger Priester hätte aus ihm werden können, das muss man Fred Jenkins schon lassen. Es ist mal wieder Pressekonferenz-Zeit in New York, der Trainer von Bryant Jennings tritt ans Mikrofon und dankt erst einmal Gott, der das alles möglich gemacht habe. "Verbreitet die Botschaft", sagt er später, "verbreitet die Botschaft, dass es einen neuen Weltmeister im Schwergewicht geben wird." Und damit auch ja keiner den Aufruf verpasst, wiederholt Jenkins noch einmal: "Verbreitet die Botschaft!"

Dieser neue Weltmeister soll den Namen Jennings tragen, am Samstagabend tritt er zum größten Kampf in den Ring, den er als Boxer wohl erleben wird: Im Madison Square Garden heißt sein Gegner Wladimir Klitschko, Jennings darf um den WM-Titel im Schwergewicht kämpfen. Natürlich ist er der Außenseiter, das geht allen Klitschko-Gegner seit Jahren so. Aber immerhin: Er ist der ungewöhnlichste Gegner, den sich der Ukrainer seit Langem ausgesucht hat.

Ein freundlicher Handschlag, ein Lächeln und sogar warme Worte - dass es ihm nicht an Höflichkeit mangelt, zeigt Bryant Jennings immer wieder. Der Amerikaner tritt gut gelaunt ans Mikrofon, schwarzes T-Shirt, schwarze Mütze, schwarze Hose - ein unspektakuläres Outfit. "Ich mache auch Fehler", sagt der Boxer, "ich bin nicht perfekt." Doch so ein Boxer braucht eben auch ein gehöriges Selbstbewusstsein, also führt er fort: "Aber raten Sie mal ..." - Jennings beherrscht auch das Setzen von Kunstpausen - "ich werde perfekt sein am Samstagabend."

Seit fünf Jahren boxt der 30-Jährige professionell - sein Debüt gab er 2010, als sich Klitschko gerade auf seinen 57. Profikampf vorbereitete. Allein die Siegesserie des Ukrainers dauert nun schon sechs Jahre länger an als die Profikarriere von Jennings, der mit seinem athletischen Stil schnell auf sich aufmerksam machte. Bis zum vergangenen Sommer war der Amerikaner aber nicht mal Vollzeit-Boxer: Jennings arbeitete als Hausmeister bei der Federal Reserve Bank in Philadelphia.

Überhaupt, Philadelphia: Ein Ort, an dem es wohl mehr Kriminalität gibt als große Lebensziele, dort ist Jennings aufgewachsen. Der Vater öfter im Gefängnis als bei seiner Familie, doch aus Jennings wurde kein Ghetto-Kind mit ähnlicher Karriere: Er biss sich durch und arbeitete für ein besseres Leben. "Ich habe da rausgefunden, indem ich immer einen Job hatte", sagt Jennings, "da gab es auch harte Zeiten. Jetzt ist Boxen mein Job." Sich als Bad Boy zu inszenieren, ist nicht das Ding von Bryant Jennings.

"Klitschko wird ein bisschen alt"

"Er hat die Qualitäten eines Rocky Balboa, der auch als Underdog aus Philadelphia kam", sagte Klitschko jüngst. Wie immer zeigt er Respekt vor seinem Gegner, was anderes hat der Champion gar nicht nötig. Erstmals seit sieben Jahren kämpft Klitschko wieder in Amerika, den Druck verortet er aber bei seinem Gegner: Schließlich wartet Philadelphia seit 29 Jahren auf einen eigenen Weltmeister im Schwergewicht. Der letzte hieß Tim Witherspoon und wurde im Dezember 1986 entthront.

Sportlich ist Jennings natürlich nicht erst 2010 geworden, sportlich war er schon in der Jugend: An der Benjamin Franklin Highschool - natürlich in Philadelphia - war Jennings Footballer, Basketballer und Kugelstoßer, über die 200 Meter versuchte er sich als Sprinter. Von seiner Athletik lebt er noch heute. "Ich höre auf meinen Trainer und verfolge die Pläne, ich trinke keinen Alkohol und rauche nicht", sagt Jennings. 19 Kämpfe hat er bisher absolviert, jedes Mal ging er als Sieger aus dem Ring - zehn Mal durch K.o.. Das klingt so lange beeindruckend, bis man die Statistik von Wladimir Klitschko betrachtet: Der hat schließlich schon 66 Profi-Kämpfe absolviert und seinen Gegner 54 Mal entscheidend umgehauen.

Die Armlänge spricht für den Außenseiter

Doch für Jennings zählt die Erfahrung nicht viel, was soll er auch anderes sagen. Stattdessen - und da wären wir wieder beim Selbstbewusstsein angelangt - meint der Linksausleger: "Klitschko wird ein bisschen alt. Das sieht man im Ring. Dort arbeitet er nicht mehr so hart und schlägt weniger." 39 Jahre ist der seit 2004 ungeschlagene Klitschko nun alt, kleiner ist er aber nicht geworden: Mit 1,98 Meter ist er seinem Gegner mal wieder körperlich überlegen, ein entscheidender Vorteil in der Vergangenheit. Doch die sieben Zentimeter Größenvorteil büßt er bei der Reichweite wieder ein. Sein Kontrahent hat längere Ärme, immerhin ein Plus von Jennings, der Klitschko damit auf Distanz halten kann. Ein bombiger Punch wird dem Box-Frischling aber nicht gerade nachgesagt.

Er habe sich die Videos der Klitschko-Kämpfe angeguckt, erzählte Trainer Jenkins dann noch, und dabei so viele Dinge erkannt, die der Boxer falsch gemacht habe, "peinliche Fehler" sogar. Details werde er keine nennen, aber am Samstagabend werde Jennings die Antwort geben. Ein Video-Studium als Schlüssel, um die Klitschko-Ära zu beenden? Um daran zu glauben, braucht es wirklich einen sehr guten Priester.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: