Klaus Toppmöller:Auf dem Weg zum Hanseaten

Dank einer Energieleistung seiner Mannschaft darf sich HSV-Trainer Klaus Toppmöller weiter um Akzeptanz im Norden mühen.

Von Jörg Marwedel

Dietmar Beiersdorfer, der Sportchef des Hamburger SV, sprach leise, wie es seine Art ist, doch seine Worte waren von eigentümlichem Pathos. "Es war", sprach also Beiersdorfer, "ein großes Erlebnis für die Spieler, dass man mit so einer Energieleistung zurückkommen kann."

Klaus Toppmöllers Stimme wiederum vibrierte leicht, und die Worte des HSV-Trainers bekamen einen fast demütigen Klang, als er feststellte: "Wir haben ein bisschen von dem Glück mitbekommen, das uns fehlte in den letzten Wochen. Wir sind für unsere Arbeit belohnt worden und dankbar dafür." Man hätte auch nur in die blassen, abgekämpften Gesichter der beiden Männer schauen müssen, um zu wissen, dass es an diesem aufregenden Nachmittag um mehr gegangen war als um ein ganz normales Fußballspiel.

Die Nürnberger hatten Schicksal gespielt, und viel fehlte nicht, dann hätte es eine ganz andere Wendung genommen für den HSV und seinen Coach. Am Ende aber stand ein 4:3 der Hamburger. Ein trotz einer 3:1-Führung erst in der 87. Minute durch ein glückliches Tor des eingewechselten Benjamin Lauth gesicherter Sieg. Und gerettet hatte er vorerst nicht nur Toppmöllers Arbeitsplatz, für dessen Erhalt sich zuletzt nicht mehr viele im Klub stark gemacht hatten.

Treuschwur der Spieler

Auch Beiersdorfer und dem millionenschweren Projekt einer HSV-Runderneuerung verschaffte er Luft in der bleischweren Atmosphäre der Hansestadt. Eine Entlassung Toppmöllers hätte den Vorstand zehn Monate nach der stillosen Trennung von Kurt Jara jedenfalls erneut Glaubwürdigkeit auf dem angestrebten Weg zu mehr Kontinuität gekostet.

Doch wie es ist, wenn man nach fünf Niederlagen in Folge (zweimal im UI-Cup, zweimal in der Bundesliga, einmal im DFB-Pokal beim Drittligisten SC Paderborn) endlich einen Erfolg feiern kann, purzelten plötzlich die Bekenntnisse wie Pflaumen von spätsommerlichen Bäumen, auf die man zuvor vergeblich gewartet hatte.

Vor allem die Wortführer der Profis wollten nun nichts mehr wissen von der Kluft, die sich nach etlichen öffentlichen Attacken des Gelegenheits-Dampfplauderers Toppmöllers auf seine Spieler zwischen Team und Trainer aufgetan hatte. "Wir haben gezeigt, wir wollen unbedingt mit dem Trainer weiterarbeiten", sagte etwa Torwart Martin Pieckenhagen und lobte die Moral der Kollegen: "Wir haben dazwischengehauen wie die Tiere, um den Sieg zu erkämpfen."

Kapitän Daniel van Buyten strich sich die nassen Haare nach hinten und erklärte: "Wir stehen hundertprozentig hinter dem Trainer." Und während Beiersdorfer erleichtert anmerkte, zu dieser Personalfrage müsse er ja wohl "jetzt keine Prognosen mehr abgeben", fasste Toppmöller seine Eindrücke des Wochenendes so zusammen: "Wir sind ein Stück enger zusammengerückt. Die Mannschaft hat gezeigt, dass man doch zusammenarbeiten will."

Die Betonung wird freilich auch künftig auf dem Wort "arbeiten" liegen müssen. Denn bei allem Einsatz der HSV-Profis hätten die Schnelligkeit des Nürnberger Stürmers Robert Vittek, zwei raffinierte Flanken des beim HSV einst ausgemusterten Marcel Ketelaer und der Instinkt des dreimaligen Torschützen Marek Mintal (37., 76. und 84. Minute) fast ausgereicht, um den HSV erneut in einen Trümmerhaufen zu verwandeln.

So nahe waren die Nürnberger zumindest einem Punkt gewesen, dass Trainer Wolfgang Wolf in der Kabine einen Tobsuchtsanfall bekam. "Ich habe mich", verriet Wolf, als er sich wieder etwas beruhigt hatte, "tierisch aufgeregt. Ich bin sauer auf die Mannschaft, dass bei diesem Aufwand und drei herausgespielten Toren nicht mehr herumgekommen ist." Die gewachsene Ansprüche beim insgesamt so gut gestarteten Aufsteiger machte auch Kapitän Tommy Larsson mit heftiger Kritik an der Defensivleistung des Teams deutlich: "So", monierte Larsson aufgebracht, "kriegen wir noch viele Gegentore. Das war sehr, sehr schlecht. So kann es nicht weitergehen."

Löchrige Abwehr

Noch heftiger wären die Reaktionen wohl beim HSV ausgefallen, hätten die Tore der drei teuren Zugänge Lauth (er wurde von Bosacky angeschossen), Emile Mpenza (war nach einem genialen Pass von Barbarez zu flink für Bosacky) und van Buyten (profitierte vom ausbleibenden Abseitspfiff von Schiedsrichter Markus Merk) sowie Björn Schlicke nicht zum Sieg gereicht.

Auch die HSV-Abwehr hatte bei zwei Nürnberger Toren mit katastrophalen Stellungsfehlern (Wicky und Reinhardt) assistiert und weitere Großchancen für Schroth und Mintal zugelassen, obwohl, so Toppmöller, die Einteilung präzise festgelegt war, "mit Name, Größe, Laufwegen". Die schwerwiegenden Mängel wurden letztlich nicht bestraft.

Vielleicht will es das Schicksal ja, dass aus dem vermeintlichen Missverständnis HSV/Toppmöller doch noch eine wunderbare Liaison und aus dem gefühlsduseligen Moselaner ein richtiger Hanseat wird. "Ich arbeite daran", hat Toppmöller am Samstag nach dem glücklichen Resultat gesagt. Der Sieg gibt ihm zumindest mehr Zeit dazu.

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