Kimi Räikkönen bei Ferrari:Die Familie braucht ihn noch

F1 Grand Prix of Great Britain

Kimi Räikkönen: Träumt weiter bei Ferrari

(Foto: Getty Images)
  • Nach dem radikalen Umbau im vorigen Herbst befindet sich Ferrari immer noch in einer Findungsphase.
  • Aber mit Vettel ist der Erfolg zurückgekehrt - und der Stolz.
  • Der letzte Weltmeister für den Rennstall stammt aus der Saison 2007 - es war Vettels Teamkollege Kimi Räikkönen.
  • Dass sein Vertrag nun verlängert wird, folgt einem strikten Plan.

Von Elmar Brümmer, Spa-Francorchamps

Es gibt Sponsoren, die tun sich mit ihrer Beziehung zur Formel 1 leicht. Jener Paketdienst zum Beispiel, der sich für einen Auftritt am Flughafen Köln/Bonn einen qualifizierten Zusteller aus dem Personal von Ferrari aussuchen kann. Sebastian Vettel ist beim PR-Trip auf dem Vorfeld vor allem ein Bote in eigener Sache, er übermittelt pünktlich vor dem Start in die zweite Saisonhälfte die Taktik seines Rennstalls: "Die Favoriten sind zwar noch vor uns. Wir geben aber alles bis zum Schluss. Wir wollen das Unmögliche möglich machen." Zum Großen Preis von Belgien am Sonntag reist der Heppenheimer als Sieger an, das letzte Rennen vor der Sommerpause konnte er in Budapest überraschend gewinnen.

Das gute Gefühl ist trotz einer drei Wochen langen Gärtner- und Heimwerkertätigkeit auf seinem Schweizer Bauernhof "Neumüli" noch da. Es war der zweite Sieg des Deutschen in seinem ersten Ferrari-Jahr, mit einem dritten wäre bereits die Vorgabe von Teamchef Maurizio Arrivabene für diese Saison erfüllt. Nach dem radikalen Umbau im vorigen Herbst befindet sich die Scuderia immer noch in einer Findungsphase, aber mit Vettel ist der Erfolg zurückgekehrt - und der Stolz.

Und der elfte WM-Lauf der Saison wird ein besonderer, denn es ist der 900. Grand-Prix-Auftritt von Ferrari, bei 926 überhaupt ausgetragenen Rennen in 65 Jahren Formel 1. Zum Vergleich: Das Mercedes-Werksteam kommt auf 118 Rennen.

passione e potenza

Nicht nur, dass niemand so oft gefahren ist wie die Scuderia, niemand siegt oder verliert annähernd so leidenschaftlich wie der italienische Sportwagenhersteller. Gespeist aus passione e potenza, der Leidenschaft und der Kraft, entwickelten sich Rekorde für die Ewigkeit: meiste Fahrer-Titel (15), meiste Konstrukteurs-Titel (16), meiste Siege (223), meiste Pole-Positionen (207). Mit Ausnahme von Jim Clark, Jackie Stewart und Ayrton Senna saßen alle Rennfahrergrößen in einem Ferrari, Michael Schumacher lernte in Maranello mit fünf WM-Titeln zu Anfang des Jahrtausends "einen Begriff kennen, den ich bis dahin nicht kannte: was eine Legende ist". Diesem Mythos folgte auch Sebastian Vettel bei seinem Wechsel Ende 2014.

Allerdings: Der letzte Weltmeister in Rot stammt aus der Saison 2007 - es war Kimi Räikkönen. Der Finne hat gerade seinen Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert bekommen. Das hat den inzwischen 35-Jährigen wohl selbst etwas überrascht: "Dass ich ein weiteres Jahr bei Ferrari bleiben kann, bedeutet für mich, dass der Traum weitergeht. Die Scuderia ist meine Familie. Ich habe immer gesagt, dass ich meine Karriere hier beenden möchte."

Ein hungriger Pilot wäre zu gefährlich

Hinter dieser lange diskutierten Personalie steckt viel Kalkül. Warum die Aufbauarbeit im Rahmen des Drei-Jahres-Plans zum WM-Titel unnötig durcheinanderbringen? Etwa durch einen jungen, hungrigen Piloten wie Valtteri Bottas (Finnland) oder Max Verstappen (Niederlande)? Das könnte nicht nur Vettel, der ein Mitspracherecht gehabt haben dürfte, unnötig ablenken. "Wir glauben, dass die Verlängerung von Kimis Vertrag dem Team weitere Stabilität verleihen wird. Das war, auch unter Berücksichtigung des guten Verhältnisses zwischen Kimi und Seb, unsere Richtlinie. Ich erwarte, dass dieses Vertrauen belohnt wird", sagt Teamchef Arrivabene. Vettel hat derzeit einen Kontrakt bis Ende 2017.

Zunächst aber gilt die Konzentration dem Sonntag und der Berg- und Talbahn in den Ardennen. "Ich hoffe, dass wir die Silbernen wieder ärgern können", sagt Vettel: "Wenn man sich ansieht, wo das Team letztes Jahr stand, dann haben wir unser Ziel schon übertroffen." Ferrari hat zwar in dieser Saison den größten Sprung von allen Teams gemacht, aber Mercedes ist weiterhin eine Macht. Kommt es nicht zu Startproblemen oder taktischen Fehlern auf der Strecke, ist der Vorsprung der Silberpfeile eher größer geworden.

Die Saison bleibt spannend

Doch von den Punkten her ist Verfolger Vettel nicht weit entfernt. Er liegt 42 hinter Lewis Hamilton und 21 hinter Nico Rosberg (für den Sieg gibt es 25 Punkte). Bislang kam Vettel nie schlechter als auf Platz fünf ins Ziel. "Wir nehmen Ferrari sehr ernst. Mit dieser Mentalität starten wir in die zweite Saisonhälfte", sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff, "alles andere wäre naiv."

Ferrari als Titelkandidat am Horizont ist gut für die Zunft. Selbst Grand-Prix-Chef Bernie Ecclestone sagt gar: "Ferrari ist die Formel 1 - und die Formel 1 ist Ferrari." Man darf aber auch behaupten: Ferrari braucht die Formel 1 mindestens so sehr wie umgekehrt. Es ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit.

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