Katar:Jenseits von Zwanziger

Katar: Hat gut lachen: Altfunktionär Theo Zwanziger siegte vor Gericht gegen Katar.

Hat gut lachen: Altfunktionär Theo Zwanziger siegte vor Gericht gegen Katar.

(Foto: Patrik Stollarz/AFP)

Altfunktionär Theo Zwanziger darf Katar weiterhin als "Krebsgeschwür des Weltfußballs" bezeichnen, urteilt das Landgericht Düsseldorf. Und das Emirat hat noch viel größere Probleme.

Theo Zwanziger darf Katar weiterhin als "Krebsgeschwür des Weltfußballs" bezeichnen. So urteilte am Dienstag das Düsseldorfer Landgericht und wies eine Klage aus dem Wüstenemirat ab. Das ist unschön für Katar - aber nicht das Schlimmste aus Sicht der Herrscher in Doha. Denen dürfte langsam dämmern, dass die Akquise der WM 2022 zum Eigentor geworden ist: Der Zuschlag, der 2010 erfolgte, hat das Land ins Rampenlicht gerückt. Und was die Welt sieht, fördert nicht jenes Image, das man sich von der Weltfußball-Bühne erhofft hatte.

Im Rechtsstreit mit Zwanziger stufte die Kammer das Etikett "Krebsgeschwür" zwar als stark herabwürdigend ein; jedoch habe der ehemalige DFB-Präsident damit konkret die Vergabe der WM an Katar kritisiert. Dieser Sachverhalt überwiege die öffentliche Diffamierung; die Aussage sei also vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt und keine Schmähkritik. Zwanziger, selbst Jurist, doziert nun munter weiter: "Ein Land, halb so groß wie Hessen, mit Menschenrechtsverletzungen und unerträglicher Hitze im Sommer, kann nach meiner Auffassung nicht Austragungsort sein fürs größte Sportereignis der Welt."

Im Prozess verhandelt wurde Zwanzigers Radio-Aussage von Juni 2015: "Ich habe immer klar gesagt, dass Katar ein Krebsgeschwür des Weltfußballs ist." Katars Anwälte planen Berufung beim OLG.

Vielleicht aber sucht das reiche Emirat auch einmal überzeugendere Wege, sich darzustellen. Bisher assistieren ihm ja nur Getreue aus der Fußballindustrie: Von Uefa-Präsident Michel Platini, der für diese WM votierte und dessen Sohn nun für Katar arbeitet; über Franz Beckenbauer, der in Katar laut flapsiger Aussage "noch nie einen Sklaven" gesehen haben will - bis zum neuen Katar-Airport-Werbepartner FC Bayern, der stets um pralle Klubkassen besorgt ist. Natürlich haben Stimmen aus diesem undurchdringlichen Milliardengeschäft Fußball kaum Kompetenz in einer Werte-Debatte. Und Katar ist überall präsent, wo der Fußball Baustellen hat: Angefangen bei den eigenen WM-Baustellen, die Beobachter seit Jahren als Todesfallen für Fremdarbeiter beschreiben. Auch spielen Menschenrechte unabhängigen Prüfern zufolge eine untergeordnete Rolle.

Dazu kommt die Kernfrage, der das amerikanische FBI und die Schweizer Bundesanwaltschaft nachgehen: Hat der mit korrupten Figuren durchsetzte Fifa-Vorstand die WM 2022 auf korrekte Art an Katar vergeben, haben Jack Warner und Co. just bei dieser Kür nicht wie gewöhnlich abgesahnt? US-Justizministerin Loretta Lynch ließ in diesem Kontext schon einmal Skepsis anklingen. Militärische und diplomatische Beziehungen zum Partnerstaat am Golf spielten in dieser Ermittlung keine Rolle: "Katars Rolle darin wird hoffentlich eine kooperierende sein."

Ermittelt wird ferner zu der Frage, warum eine dubiose Geldspur von 6,7 Millionen Euro aus dem deutschen WM-OK nach Katar führt, zu einer Firma des langjährigen Fifa-Vizes Mohamed Bin Hammam, der wegen Korruption lebenslang gesperrt ist. Anfragen dazu, ob man in Doha der Geldspur und anderen Verbindungen zur WM 2006 nachgehe, lässt die Berliner Botschaft des Emirats unbeantwortet.

Und schließlich handelt die Fifa selbst. Soeben legte sie ein Gutachten des Harvard-Professors John Ruggie zu Katar vor, dessen klare Empfehlung: Die Fifa solle Ländern, die ihre Missstände nicht beheben, den Entzug der WM-Gastgeberrolle androhen. Ruggie beschrieb Ausbeutung, Enteignung und Diskriminierung und riet zu flottem Handeln: Die Fifa müsse beweisen, dass sich ihre Verbandskultur geändert habe. Zugleich prangert Amnesty International im neuen Bericht "Die hässliche Seite des schönen Spiels" Zwangszustände auf WM-Baustellen an. Die internationale Arbeitsorganisation ILO kündigt eine eigene Katar-Prüfkommission an.

Ruggies Studie lobte Fifa-Chef Gianni Infantino als Wegweiser für die eigene Menschenrechtspolitik. Er steht selbst unter Druck, und seine Fifa kann bisher nirgendwo den Bruch mit der Vergangenheit zeigen. Katar wäre da ein Fanal, und die globale Fangemeinde würde kaum protestieren, wenn die Winter-WM in der Wüste am Ende doch ausfiele.

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