Karriereberaterin Asgodom über den BVB-Profi:"Dieses Jahr wird Lewandowski zum Mann machen"

Wer in der Karriere-Sackgasse steckt, lässt sich heutzutage beraten. Im Interview verrät Coaching-Expertin Sabine Asgodom, wie Robert Lewandowski aus der Schmollecke rauskäme. Außerdem erklärt sie, wie sich der wechselwillige BVB-Stürmer für die Saison motivieren kann.

Von Andreas Glas

Robert Lewandowski

Raus aus der Schmollecke: Robert Lewandowski (rechts) neben den BVB-Bossen Michael Zorc (Mitte) und Hans-Joachim Watzke.

(Foto: dpa)

Monatelang hat die Fußball-Nation spekuliert: Wechselt er zum FC Bayern oder spielt er weiter bei Borussia Dortmund? Inzwischen scheint festzustehen: Torjäger Robert Lewandowski bleibt beim BVB. Er muss. Das haben die Vereinsbosse so entschieden - gegen Lewandowskis Willen. "Es ist nicht fair, dass sie mich behalten", sagte der Pole, der unbedingt nach München möchte. Der 24-Jährige steht vor einer schwierigen Saison. Er fürchtet gar, dass eine Zeit kommen wird, "wo ich mit schlechter Stimmung zum Spiel kommen werde." Höchste Zeit also für eine Krisensitzung bei Karriereberaterin Sabine Asgodom.

Frau Asgodom, als Coach beraten Sie Politiker und Spitzenmanager. Was würden Sie Robert Lewandowski in seiner aktuellen Situation raten?

Sabine Asgodom: Als Coach bin ich kein Ratgeber. Käme Herr Lewandowski zu mir, würde ich ihm nicht sagen, was er zu tun hat. Ich würde versuchen, herauszufinden, was er selbst möchte.

Und wie macht man das?

Es gibt da eine schöne Übung, die heißt Alternativrad. Damit würde ich ihm zwölf Möglichkeiten aufzeigen, wie er jetzt reagieren kann - und er kann Punkte verteilen. Von null bis zehn. Null heißt: Diese Option gefällt mir überhaupt nicht. Zehn heißt: Super-Idee.

Dann lassen Sie uns anfangen. Was wäre die erste Option?

Krankschreiben lassen. So wie ich Herrn Lewandowski einschätze, käme das für ihn nicht in Frage, also: null Punkte. Die zweite Option wäre: Schmollen.

Die Schmoll-Phase müsste er jetzt eigentlich hinter sich haben.

Also auch null Punkte. Die dritte Option: Seine Berater rausschmeißen.

Vielleicht keine schlechte Idee. Zehn Punkte?

Ich glaube auch, dass er richtig schlecht beraten ist. Berater im Fußball sind ja im Prinzip Menschenhändler. Viele sehen nur ihre Provision und haben Eurozeichen in den Augen statt darüber nachzudenken, was das Beste für den Spieler ist. Man kann nur spekulieren, aber unter vier Augen würde Herr Lewandowski bestimmt sagen: Das Verhalten meiner Berater hat mich geärgert, das war doof. Also sagen wir fünf Punkte.

Auf einem Block hat Sabine Asgodom etwas gezeichnet, das aussieht wie eine Sonne: das Alternativrad. Auf jeden der zwölf Sonnenstrahlen hat sie einen Begriff geschrieben: Zwölf Alternativen, die sich Robert Lewandowski bieten, um mit seiner aktuellen Situation umzugehen. Hinter jedes Thema schreibt sie eine Ziffer, um die Prioriät der Optionen zu bewerten.

asgodom sabine

Sabine Asgodom, 60, ist Trainerin für Unternehmen, Verbände und Seminaranbieter, coacht Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft und Showbizz und tritt als Toprednerin auf Kongressen und Veranstaltungen in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Luxemburg auf. Bisher hat Sabine Asgodom fast 30 Bücher geschrieben. Sie stammt aus einer fußballbegeisterten Familie, ist ausgebildete Schiedsrichterin und Fan des FC Bayern München.

(Foto: privat)

Dann lassen Sie uns mal schauen: Welche Option hat die meisten Punkte?

Das Beste draus machen.

Klingt irgendwie "alternativlos".

Im Gegenteil. Es geht um die Frage, ob es auch etwas Gutes hat, dass der Wechsel zu den Bayern nicht klappt. Immerhin haben die Bayern gerade einen neuen Trainer bekommen, der die Rollen neu verteilt. Vielleicht ist es ein Vorteil, dass Herr Lewandowski da nicht mittendrin steckt im Konkurrenzkampf. Pep Guardiola wird bei den Bayern aufräumen und da werden einige Spieler über die Klinge springen, auch richtig gute Leute. Herr Lewandowski sollte sich sagen: Guardiola soll erst mal aufräumen und ich komme dann ins aufgeräumte Feld. Im nächsten Jahr steht das System Guardiola und ich weiß, ob ich überhaupt reinpasse bei den Bayern. Das ist doch ein Riesenglück!

Schon, aber wie vertreibt er sich inzwischen die Laune in Dortmund?

Lassen Sie uns doch mal aufs Alternativrad schauen. Viele Punkte stehen noch bei den Optionen "Energie-Plus" und "Persönliche Reifung".

Energie-Plus? Was bedeutet das?

Das heißt: noch besser werden. Das ist eine Riesenchance. Ich würde ihn fragen: Können Sie sich vorstellen, dass dieses eine Jahr in Dortmund ihr Jahr wird? Ich würde ihm sagen: Sie sind jetzt schon grandios, aber jetzt haben Sie ein Jahr Zeit, nochmal eine Spur besser zu werden. Und zwar ohne den Druck, sich ständig beweisen zu müssen. Bei Bayern wäre er jetzt unter Dauerbeobachtung, bei Dortmund wissen sie längst, was er kann. Er hat die einmalige Chance, sich zu vervollkommnen und kann dann als noch besserer Fußballer beim FC Bayern oder einem anderen Topverein aufschlagen.

Kennen Sie Fälle, in denen das besonders gut funktioniert hat?

Bei Franck Ribéry zum Beispiel, der wollte ja auch mal eine Zeit lang weg von den Bayern und unbedingt zu Real Madrid wechseln. Das hat nicht geklappt, aber statt sich hängen zu lassen, hat er sich enorm weiterentwickelt. Inzwischen spielt er göttlich.

"Er ist kein Knuddelhase"

Ist es das, was Sie mit "persönlicher Reifung" meinen?

Ja, ich kann mir vorstellen, dass Lewandowskis vor dem Jahr seiner persönlichen Reifung steht. Wie alt ist er jetzt?

24.

Er hat jetzt die Chance, erwachsen zu werden. Bis jetzt war er ein talentierter Bub, dieses Jahr wird ihn zum Mann machen, da bin ich mir sicher.

Also gut, wir wissen jetzt, dass das vermeintlich verlorene Jahr in Dortmund eine Riesenchance für Lewandowski sein kann - um noch besser zu werden und persönlich zu reifen. Was wäre jetzt der nächste Coaching-Schritt?

Als Nächstes würden wir gemeinsam eine To-Do-Liste machen. Auf dieser Liste dreht sich alles um das Thema Selbstmotivation, denn das ist das einzige Thema, das für ihn jetzt interessant ist. Also würde ich ihn fragen: Was motiviert Sie im Leben? Was treibt Sie an? Es gibt da eine Übung, die heißt Motivationsraster. Machen Sie mal den Lewandowski? Ich nenne Ihnen immer zwei Begriffe und Sie sagen mir, was ihm im Leben wichtiger ist.

Na gut. Ich versuche es.

Ruhm oder Herausforderung?

Herausforderung.

Kollegialität oder Abenteuer?

Kollegialität, glaube ich. Er ist ja eher ein ruhiger Mensch, kein Typ Abenteurer.

Spaß oder Unabhängigkeit?

Asgodom

Links: das "Motivationsraster", rechts: das "Alternativrad"

(Foto: Glas)

Auf dem ovalen Tisch in Sabine Asgodoms Coaching-Zimmer liegt jetzt eine vorgedruckte Coaching-Tabelle mit zwölf Begriffspaaren. Sie geht ein Begriffspaar nach dem anderen durch und streicht mit einem Faserstift immer einen Begriff weg. Am Ende bleiben drei Themen übrig, die für Robert Lewandowski vermutlich besonders wichtig sind: Kollegialität, Ehre und ganz oben auf der Prioritätenliste: Erfolg.

Was treibt Lewandowski denn nun am meisten an?

An der Spitze des Motivationsrasters steht der Begriff Erfolg. Um die To-Do-Liste zu schreiben, würde ich Herrn Lewandowski also fragen: Welche Ziele gibt es, die Sie in dieser Saison motivieren? Dann würde er sagen: Ich will mit Dortmund Meister werden, ich will was in der Champions League reißen und dann steht ja noch eine Weltmeisterschaft an, für die er sich qualifizieren kann und wo er einen großen Auftritt haben will. Er weiß, dass er für die Polen der große Hoffnungsträger ist, und der BVB ist doch eine richtig gute Grundlage, wenn eine WM ansteht. Ich bin mir sicher: Spätestens an diesem Punkt des Coachings wäre Herr Lewandowski raus aus der Schmollecke.

Und dann?

Im letzten Schritt ginge es um ganz aktive Sachen: Was will ich konkret verbessern? Gibt es eine technische oder taktische Schwäche, die ich jetzt wirklich angehe? Da würde ihm sofort was einfallen. Das ist ja das Schöne am Coaching: Wenn man die Menschen dazu bringt, an sich zu glauben, dann wissen sie auch, was sie brauchen.

Die BVB-Anhänger sind natürlich enttäuscht von Robert Lewandowskis Wechselabsichten. Wie geht ein Spieler mit Fan-Wut am besten um?

Ich glaube, dass er es gar nicht so schwer haben wird. Herr Lewandowski ist ein ernsthafter, überlegter Typ, das schätzen die Fans an ihm. Deswegen gab es auch viel weniger dieser doofen Verräter-Stimmen als zum Beispiel bei Mario Götze, da haben die Fans viel mehr getobt. Lewandowskis Vorteil ist, dass er kein Knuddelhase ist, sondern von Anfang an eine gewisse Distanz gegenüber den Fans ausgestrahlt hat. Das hilft ihm jetzt. Weil es nie diese wilde Fan-Verehrung gab wie bei Götze, trifft ihn jetzt auch nicht dieser wilde Hass.

Und wie sollte Trainer Jürgen Klopp jetzt am besten mit Lewandowski umgehen?

Er hat zwei Möglichkeiten: Push oder Pull. Push heißt Druck machen. Aber das geht immer schief, weil Druck Gegendruck erzeugt. Also bleibt nur Pull, das heißt: Den Spieler mitreißen, ihm Wertschätzung satt geben und ihm immer wieder sagen, was er für ein grandioser Spieler ist. Nach dem Motto: Zeig es allen und erhöhe nochmal deine Begehrlichkeit für die Bayern! Wenn es einen Trainer gibt, der das perfekt hinkriegt, dann Jürgen Klopp. Ich habe ihn in Mainz schon immer beobachtet, den finde ich so wahnsinnig, so völlig irre. Und ich mag solche Menschen, ich bin ja genauso.

Eine Motivationsspritze könnte auch die Gehaltserhöhung sein, die Lewandowski offenbar vom BVB bekommen hat. Statt 1,5 Millionen Euro soll er jetzt 4 Millionen Euro bekommen.

Das Gehalt zu erhöhen ist eine kluge Entscheidung. Aber rein gefühlsmäßig glaube ich gar nicht, dass das Geld bei ihm so eine große Rolle spielt. Den meisten Menschen, die zu mir ins Coaching kommen, ist der Sinn wichtiger als das Geld. Was man tut, muss einen Sinn haben. Nietzsche hat mal gesagt: Wer ein Warum im Leben hat, der kann fast jedes Wie ertragen. Aber wenn du keinen Sinn siehst, in dem, was du tust, dann bleibst du in der Schmollecke.

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