Karlsruher SC:Neustart ohne Diven und aufgeblasene Egos

Karlsruher SC

Der personelle Schnitt nach dem Abstieg war "ein dringend notwendiges reinigendes Gewitter" - sagt KSC-Torwart Dirk Orlishausen.

(Foto: Timm Schamberger/dpa)
  • Der KSC hat nach dem Abstieg in die Dritte Liga investiert
  • Er startet nun als Favorit - dank seines 82 Jahre alten Vizepräsidenten.

Von Christoph Ruf, Karlsruhe

Es gibt Menschen in Karlsruhe, die halten die aktuelle Terminierung der dritten Liga für unglücklich. Ausgerechnet zu Beginn des Open Airs "Das Fest", das an drei Tagen um die 230 000 Menschen vor Bühnen und Essstände lockt, wird im Wildpark die erste Saison-Partie des KSC an diesem Freitagabend (20.30 Uhr) gegen den VfL Osnabrück angepfiffen. In Spielminute 30 beginnen fünf Kilometer Luftlinie entfernt die Sportfreunde Stiller zu musizieren.

"Es kann sein, dass das ein paar Tausend Zuschauer kostet", sagt der neue Klub-Geschäftsführer Helmut Sandrock, der im Falle eines Sieges auch gerne noch mit den Spielern ein bisschen Livemusik hören würde. Aber, sagt der ehemalige DFB-Spitzenfunktionär, der KSC sei "als Absteiger eine attraktive Marke in der dritten Liga" - genau wie Osnabrück, der 1. FC Magdeburg, der Hallesche FC, Kickers Würzburg und Preußen Münster. Und auch sie alle wollen so schnell wie möglich in die zweite Liga aufsteigen. Doch wenn 17 von 19 Drittliga-Trainern den KSC zum Aufstiegsfavoriten erklären - KSC-Coach Marc-Patrick Meister enthielt sich nobel -, dann ist das keine sonderlich gewagte Prognose.

Gehaltsstruktur ist ambitioniert

In der dritten Liga bekommen die Badener zwar nur noch rund 700 000 Euro an TV-Geld (in der zweiten Liga wären es 11,9 Millionen Euro gewesen). Doch das hinderte den KSC nicht daran, eine exquisit besetzte Mannschaft zusammenzustellen, gespickt mit Zweitliga-erfahrenen Spielern wie Kai Bülow (1860 München), Dominik Stroh-Engel (Darmstadt), Daniel Gordon (Sandhausen) oder David Pisot (Würzburg). Auch Drittliga-Rekordtorschütze Anton Fink kam nach fünfeinhalb Jahren aus Chemnitz zurück. Der gebürtige Dachauer zog das Angebot der Karlsruher einem von 1860 München vor. Und das wohl nicht nur, weil seine Gattin aus dem nahen Pforzheim stammt. Zwar behauptet Sportdirektor Oliver Kreuzer gerne, kein einziger Spieler habe Ablöse gekostet. Das darf man aber zum Beispiel bei Fink bezweifeln. Und dass die Gehaltsstruktur ambitioniert ist, steht fest.

"Fast alle Absteiger versuchen ja, möglichst sofort wieder hochzukommen", weiß Kreuzer, "sonst besteht die Gefahr, dass du dich in der dritten Liga einnistest und nicht mehr hochkommst." Eine Horrorvision wäre das für den KSC und sein Umfeld, das noch heute von Scholls, Kahns, Häßlers, Nowotnys und Calhanoglus spricht, die hier mal gekickt haben. Der einzige Verein, den man im Ländle für satisfaktionsfähig hält, ist der VfB Stuttgart - für den KSC geht es nun nach Aalen und Großaspach. Solche Landpartien findet man als Karlsruhe-Fan notfalls mal ein Jahr ganz skurril. Aber auf keinen Fall länger.

So schnell wie möglich raus aus dieser Liga

Dass der Klub mit seinem Fünf-Millionen-Etat fleißig investiert hat, liegt allerdings auch an den Gegebenheiten einer Liga, die so gut wie jeder Verein möglichst schnell nach oben verlassen will. Die "dritte" ist de facto eine Profiliga, sie ist kostspielig, die Spieler verdienen gut. Und die Reisekosten sind so hoch wie in den beiden Oberhäusern. Doch im Gegensatz zu denen ist die "dritte" von den Fernsehgeldern fast komplett abgeschnitten.

Dass der KSC trotzdem munter in den Kader investieren konnte, verdankt er, wie stets in den vergangenen Jahren, dem Privatvermögen des 82-jährigen Vizepräsidenten Günter Pilarsky. Der Altmetallhändler ist Honorarkonsul von Armenien und beschäftigt dort mehr als 3000 Menschen in einer Mine. Sein weiteres wirtschaftliches Engagement für den Drittligisten hatte er an den Verbleib von Präsident Ingo Wellenreuther geknüpft. Als kürzlich der Dachverband der Fanszene, die "Supporters", personelle Konsequenzen forderten und Wellenreuther eine nicht zeitgemäße Alleinherrschaft attestierten, endete die Revolte mit dem Machtwort Pilarskys.

Saison-Generalprobe überzeugt Skeptiker

Wellenreuther selbst sieht sich in ein falsches Licht gerückt. Und tatsächlich ist es wohl so, dass Kreuzer und Meister den Kader eigenverantwortlich zusammengestellt haben. Es stimmt aber auch, dass Kreuzer im April die Beurlaubung von Mirko Slomka als Entscheidung verkaufen musste, die im Einvernehmen mit dem Trainer getroffen worden sei. Dabei war Kreuzer nur der Überbringer einer für Slomka schlechten Nachricht.

Für den KSC war diese Trennung nicht von Nachteil. Die Saison-Generalprobe beim 2:1-Sieg gegen Braunschweig überzeugte selbst Skeptiker, die die Unerfahrenheit von Trainer Meister im Profibereich skeptisch sehen. Der 37-Jährige mit Affinität zu auf Ballbesitz beruhendem Kombinationsfußball war vergangene Saison als Nachfolger Slomkas allerdings ebenso machtlos wie seine drei Vorgänger, als es darum ging, einen heillos zerstrittenen Kader zur Leistung anzutreiben. Torwart Dirk Orlishausen hat zuletzt im Trainingslager in Tirol berichtet, wie er unter der damaligen Situation gelitten hatte.

Dritte Liga – 1. Spieltag

Karlsruher SC - VfL Osnabrück Fr. 20.30

W. Bremen II - SpVgg Unterhaching Sa. 14.00

RW Erfurt - Preußen Münster Sa. 14.00

SF Lotte - Hansa Rostock Sa. 14.00

Hallescher FC - SC Paderborn Sa. 14.00

Fortuna Köln - VfR Aalen Sa. 14.00

SV Wehen-Wiesbaden - CZ Jena Sa. 14.00

SV Meppen - Kickers Würzburg Sa. 14.00

SGS Großaspach - 1. FC Magdeburg So. 14.00

Chemnitzer FC - FSV Zwickau So. 14.00

Zu viele Streitigkeiten, zu viele Diven, zu viele aufgeblasene Egos: "Am Ende wollte jeder nur noch möglichst glimpflich aus der Sache rauskommen." Orlishausen, der in dieser Saison Ersatzmann für den aus Stuttgart gekommenen Benjamin Uphoff sein wird, hielt den klaren Cut im Sommer daher für alternativlos: "Das war das dringend notwendige reinigende Gewitter."

So sehen es offenbar auch die Fans: 2500 kamen zum ersten Training - mehr als bei Erstligisten wie Freiburg, Köln oder Hannover. Beim "Familientag" am Sonntag waren es sogar 20 000, die zum Autogramme-Sammeln vorbeischauten. 5700 Dauerkarten gingen über den Tresen. Und auch beim Auftaktspiel rechnet man mit mindestens 12 000 Fans. Trotz der Sportfreunde Stiller.

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