Karlsruher SC im DFB-Pokal:Selbstbewusst dank neun Siegen in Serie

Karlsruher SC v 1. FC Heidenheim - 3. Liga

Jubel in Karlsruhe: Jan Mauersberger (links).

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Drittligist Karlsruher SC hofft nicht nur auf eine Pokal-Überraschung gegen den SC Freiburg - der Klub will auch zurück in die zweite Liga. Nach einem turbulenten Jahr fühlt sich die Mannschaft reif. Und hat in Hakan Calhanoglu einen überragenden Strategen.

Von Tobias Schächter, Karlsruhe

Höflich fragt Hakan Calhanoglu, ob er einen Kaffee mitbringen solle. Das Training des Karlsruher SC ist gerade vorbei, draußen ist es kalt und der Tag hat seine hellsten Stunden hinter sich. Calhanoglu war trotzdem der letzte Spieler, der vom Trainingsplatz getrottet ist - wie fast immer. Er hat noch Freistöße geübt und Torwart Dirk Orlishausen die Bälle um die Ohren gehauen. Für seine Schusstechnik, die an jene von Cristiano Ronaldo erinnert, ist der erst 18 Jahre alte türkische U 21-Nationalspieler bereits weit über die Grenzen der dritten deutschen Liga bekannt. Fünf seiner sieben Saisontore für den KSC hat er aus ruhenden Ballpositionen erzielt.

Calhanoglu hat sich dieses Können durch hartes Training angeeignet, sein ehemaliger Jugendtrainer Stephan Groß bei Waldhof Mannheim habe ihm die Schusstechnik beigebracht, erzählt er: "Ich finde es normal, vor oder nach dem Training noch Extraschichten zu machen", sagt der 1994 in Mannheim geborene Mittelfeldspieler. So normal findet Calhanoglu das, wie er es eben auch normal findet, Besuchern in der Geschäftsstelle des KSC einen Kaffee anzubieten.

Mit angenehmem Selbstbewusstsein nimmt der schmächtige Bursche seine Rolle an: Er soll die Karlsruher zurück in Liga zwei führen - und im badischen Achtelfinal-Duell des DFB-Pokals möglichst noch zu einem Erfolg gegen den Erstliga-Fünften SC Freiburg.

In der Stadt hängen seit Tagen fast an jeder Litfaßsäule riesige Plakate - mit Calhanoglu in herausfordernder Pose. Darunter steht: "Wir stürmen jede . . . burg." Er lächelt stolz, als er darauf angesprochen wird, das eigens angefertigte orangene Trikot findet er "geil". Aber nein, er sei nicht der einzige Spieler, der beim KSC vorangeht. Er sagt: "Langsam hat jeder kapiert, was wir können."

Calhanoglu sagt nicht, dass er das schon lange weiß, aber man ahnt, dass es so ist. Es hat einige Zeit gedauert, bis der KSC nach dem Abstieg aus der zweiten Liga in die Spur kam. Nach sechs Spieltagen standen die Badener auf Platz 18, doch nun überwintert die Elf von Trainer Markus Kauczinski auf Aufstiegsrang zwei. Zuletzt gab es neun Siege in Serie, Ligarekord! Die Zeit der Findung habe die neu formierte Elf nun überwunden, glaubt Markus Kauczinski: "Wir haben auch in der schlechten Phase immer unseren Plan verfolgt, manchmal hängt es dann nur an Details. Mittlerweile sieht die Mannschaft, dass es richtig ist, was wir machen."

Turbulentes Jahr

Es war ein turbulentes Jahr für den KSC: Abstiegskampf, verlorene Relegationsspiele, Randale, Geisterspiele, schlechter Saisonstart in Liga drei - und nun die Erfolgsserie. "Das Pokalspiel gegen Freiburg im ausverkauften Stadion ist jetzt ein Zuckerl für die Fans", sagt Kauczinski. Calhanoglu sagt: "Wir wollen gewinnen." Und Kauczinski sagt über Calhanoglu: "Hakan ist einer, der die Dinge an sich reißt, der sich nie versteckt." Trotz seines jugendlichen Alters nehme er jedes Training, jedes Spiel voll an. "Hakan hat diese Mentalität entwickelt, ihn muss man nie motivieren."

Klar, es gibt auch Koen van der Biezen, der zehn Tore erzielt hat für das mit 39 Treffern offensivstärkste Team der Liga. Oder den guten Torwart Orlishausen. Doch auf keinen Schultern ruht mehr Hoffnung als auf den schmalen Calhanoglus. Im Sommer unterschrieb der Stratege, der präzise Pässe über 40, 50 Meter spielen kann, einen Vierjahresvertrag beim Hamburger SV - bis Saisonende ist er an den KSC ausgeliehen. Die Ablöse betrug 2,5 Millionen Euro, Geld, das der klamme KSC gut gebrauchen kann und das Werder Bremen nicht zahlen wollte, weshalb der zwischen Klub und Spieler schon vereinbarte Transfer platzte. Bei jedem KSC-Spiel steht Calhanoglu nun unter Beobachtung des HSV; in den Tagen nach den Spielen gebe es eine Analyse seiner Stärken und Schwächen, erzählt er.

Neulich war er zwei Tage in Hamburg, er nahm nach dem HSV-Spiel gegen Wolfsburg am Mannschaftsessen teil und sprach mit Trainer Thorsten Fink. In Hamburg wissen sie, was für ein Juwel sie sich geangelt haben. Noch immer buhlen türkische Vereine um ihm. Besiktas Istanbul, erzählt Calhanoglu, wolle ihn für ein Jahr ausleihen, aber der HSV lehne ab. Noch wohnt er in Mannheim bei den Eltern, nach Hamburg will er im Sommer alleine umziehen. Seit der U 16 spielt er für die türkischen Nationalteams, zuletzt wurde er bei der U 21 gegen Deutschland eingewechselt.

Im nächsten Jahr steht Calhanoglu in der Bundesliga im Schaufenster. Doch zuerst will er mit dem KSC aufsteigen und im nächsten Sommer mit der türkischen U 20 die WM im eigenen Land gewinnen. Danach, sagt er, werde er sich entscheiden, für welches Land er spielen wolle. Derzeit, erzählt er, gebe es aber keinen Kontakt zum DFB. Das ist der einzige Moment im Gespräch, in dem Calhanoglu ein bisschen ratlos wirkt.

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