Karlsruher SC in der Relegation:Frecher Angriff auf die Uhr

Karlsruher SC v 1860 Muenchen  - 2. Bundesliga

Mit Fragezeichen: Der Einsatz von Rouwen Hennings am Donnerstag gegen den HSV ist gefährdet.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der KSC träumt plötzlich wieder vom Aufstieg - weil Trainer Kauczinski das Team vor einigen Wochen noch mal aufgerüttelt hat.
  • An diesem Donnerstag (20.30 Uhr) treten die Badener in der Relegation erst auswärts beim HSV an.
  • Kauczinski sagt selbstbewusst: "Wir sind eine gefährliche Mannschaft. Der HSV wird aufpassen müssen, uns in den Griff zu kriegen."

Von Tobias Schächter, Karlsruhe

In Karlsruhe ist alles aufs Feiern ausgerichtet, 300 Jahre jung wird die Stadt diesen Sommer. Überall künden Plakate von den Festivitäten, im Schlosspark entsteht ein riesiger Pavillon für Veranstaltungen, und Martin Wacker sagt: "Der Aufstieg des KSC wäre das i-Tüpfelchen auf den Feierlichkeiten." Wacker organisiert nicht nur den Stadtgeburtstag, er ist auch Stadionsprecher des Karlsruher SC und kreischt euphorisch vor jedem Heimspiel ins Mikrofon: "KSC - die drei geilsten Buchstaben im deutschen Fußballs."

Plötzlich wieder sexy

Seit feststeht, dass das Team von Trainer Markus Kauczinski als Dritter der zweiten Liga gegen den Hamburger SV in zwei Relegationsspielen um den Aufstieg in die Bundesliga kämpft, ist der KSC plötzlich wieder sexy. Schlangen vor der Geschäftsstelle hat man in Karlsruhe zuletzt selten gesehen, die Tickets fürs Rückspiel waren im Nu vergriffen. Auch deshalb sagt Kauczinski: "Es ist ein gutes Gefühl, dass die Stadt und die Leute hinter uns stehen - so ist alles möglich." Kauczinski weiß, dass das nicht immer so war in dieser Saison. Oft spielte seine Elf nur vor 13 000 Zuschauern, in Karlsruhe steigen die Erwartungen ziemlich schnell, der Unmut aber auch.

"Viele haben dem Braten lange nicht getraut", sagt Sportdirektor Jens Todt. Vor drei Wochen, nach dem bitteren 0:1 gegen Konkurrent Darmstadt, schien das Rennen schon ohne den KSC gelaufen zu sein.

Aber plötzlich darf der KSC doch wieder vom Aufstieg träumen - weil Trainer Kauczinski "nach dem Niederschlag gegen Darmstadt noch mal alle aufgerafft hat" (Todt) und weil dem alten Rivalen aus Kaiserslautern plötzlich die Knie zu schlottern anfingen. "In zwei Endspielen ist alles möglich", sagt Todt nun. An diesem Donnerstag treten die Badener erst auswärts beim HSV an, und Kauczinski sagt selbstbewusst: "Wir sind eine gefährliche Mannschaft. Der HSV wird aufpassen müssen, uns in den Griff zu kriegen."

Ein modernes Stadion wird erst in zwei Jahren gebaut

Der Trainer ist gerade dabei, die Grenzen seiner Elf erneut ein Stück weiter nach oben zu verschieben - nach dem Wiederaufstieg aus der dritten Liga und dem fünften Platz in der vergangenen Saison. Die Entwicklungsarbeit des ebenso harten wie herzlichen Gelsenkircheners, der zuvor im Nachwuchsbereich des KSC gearbeitet und die Profis dreimal als Interimstrainer übernommen hat, ist angesichts der Rahmenbedingungen beeindruckend. Der KSC ächzt unter Altlasten, ein modernes Stadion wird erst in zwei Jahren gebaut. Ohne die finanzielle Unterstützung des Rohstoff-Unternehmers und KSC-Vizepräsidenten Günter Pilarsky wäre der Klub wohl nicht mehr im Profifußball.

Nach der Niederlage gegen Darmstadt lud Pilarsky Team und Verantwortliche zum Champions-League-Gucken in seine Villa ein. An diesem Abend ging man beim KSC eher noch von einem Verbleib in Liga zwei aus, doch der klamme Klub will lieber früher als später aufsteigen. Sportchef Todt sagt: "Ein Aufstieg schafft neue personelle Optionen." Wobei er auch betont, keine völlig unterschiedliche Planungen für beide Ligen entwickelt zu haben: "Rund 80 Prozent des Kader stehen fest."

Torjäger Hennings droht auszufallen

Gelingt der Aufstieg nicht, verlöre der KSC wohl die Flügelflitzer Hiroki Yamada und Manuel Torres an die erstklassige Konkurrenz. Auch der ablösefreie Reinhold Yabo wäre dann wohl weg - wobei Yabo auch seinen Platz im Karlsruher Gemeinderat aufgeben müsste, der Mittelfeldspieler wurde vor einem Jahr für die Gruppierung "Gemeinsam für Karlsruhe" gewählt.

Aber beim KSC haben sie sich vorgenommen, ohne falsche Bescheidenheit in die Spiele zu gehen. Torwart Dirk Orlishausen sagt über den HSV: "Wer zweimal hintereinander so eine Saison spielt, der ist irgendwann fällig. Warum nicht gegen uns?" In Karlsruhe wollen sie fest daran glauben, dass das Momentum auf ihrer Seite ist. Linksverteidiger Philipp Max, Sohn des früheren Schalker Torjägers Martin Max, sagt kess, es sei an der Zeit, die Bundesliga-Uhr im Hamburger Stadion abzustellen.

"Wir machen uns nicht kleiner, als wir sind"

Damit das gelingt, muss aber Zweitliga- Schützenkönig Rouwen Hennings (17 Tore) weiter treffen. Der 27-Jährige, ausgebildet ausgerechnet beim HSV, war U21-Nationalspieler, bevor der Karriereknick kam. Seit einem halben Jahr spielt er plötzlich so gut wie nie. Als Hennings jüngst gegen St. Pauli zwei Tore erzielte, sagte er frech, er habe nun fast so oft getroffen wie der ganze HSV. Das Zitat wird jetzt wieder hervorgeholt, aber Hennings stört das nicht, er sagt: "Wir machen uns nicht kleiner, als wir sind - wir haben unsere Chance!"

Auch von der Fitness der Torjäger könnte abhängen, welcher Klub nächste Saison erstklassig spielt. Hennings plagen Sprunggelenks-Probleme, er musste ebenso mit dem Training aussetzen wie der HSV-Kollege Pierre-Michel Lasogga, dessen Schulter schmerzt. Man müsse bei den Stürmern "von Tag zu Tag schauen", sagen die Trainer fast wortgleich - und sollte es für diesen Donnerstag nicht reichen, gibt es ja immer noch den kommenden Montag. Dann steigt das Rückspiel in Karlsruhe.

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