Karl-Heinz Rummenigge:"Ist doch okay, wenn ein Spieler ärgerlich ist"

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Der Bayern-Vorstandsboss über Makaay, Ballack, Deisler und die Chancen fürs Rückspiel in Mailand.

Interview: Philipp Selldorf

SZ: Herr Rummenigge, da der FC Bayern die Bundesliga ziemlich eindeutig beherrscht, hat er seine besonderen Erwartungen auf die Champions League gerichtet. Aber dort droht nun ein schnelles Ende - hat das Mailand-Spiel Ernüchterung gebracht?

Rummenigge: Nein. Überhaupt nicht. Erstens fand ich das Spiel insgesamt sehr attraktiv. Und zweitens haben wir eine wunderbare erste Halbzeit abgeliefert. Milan war eben in der zweiten Halbzeit stärker als wir.

SZ: Wie bewerten Sie die Aussichten?

Rummenigge: Da muss man nicht groß drumrumreden: Das Ergebnis ist ein Vorteil für den AC Mailand. Denen reicht ein 0:0, und wir sind gezwungen, mindestens ein oder zwei Tore zu schießen. Der entscheidende Punkt am Dienstag war, dass wir mit dem Elfmeter Pech hatten. In einem Spiel auf diesem Niveau ist so was eben oft entscheidend.

SZ: Das hat der Trainer auch gesagt. Aber wieso lässt sich eine Mannschaft wie die des FC Bayern so abrupt von ihrer Linie abbringen? Sie hat doch Grund genug zu starkem Selbstbewusstsein.

Rummenigge: Wir waren natürlich geschockt durch das 1:1, nachdem wir den Gegner in der ersten Halbzeit so sehr dominiert hatten. Das 1:0 war eine fast perfekte Ausgangslage - ein 1:1 ist ungleich schwieriger. Und das darf man ja nicht vergessen: Milans Mannschaft ist individuell hochklassig besetzt und taktisch extrem gut geschult. Und sie spielt bereits seit Jahren zusammen.

SZ: Beim Anblick des FC Bayern konnte man meinen, dass er mit zwei Teams gespielt hätte. Ein mutiges und ein zaghaftes. Michael Ballack stand dafür Modell. Wo war er in der zweiten Hälfte?

Rummenigge: In der ersten Halbzeit hat er jedenfalls super gespielt und ein fantastisches Tor geschossen. Das ist seine Stärke. Und die Frage ist nicht: Wo war Michael Ballack in der zweiten Hälfte? Sondern: Wo waren wir in der zweiten Hälfte? Das ist der einzige Vorwurf, den man der Mannschaft machen muss.

SZ: Einige sind verschwunden. Roy Makaay zum Beispiel: Haben Sie verstanden, warum er seine Auswechslung als Zumutung aufgefasst hat?

Rummenigge: Ist doch okay, wenn ein Spieler ärgerlich ist. Es war allgemein ein schwieriges Spiel für Stürmer. Milan hat eine körperlich robuste und extrem ausgeschlafene Defensive. Nach dem 1:1 wurd's dann erst recht eng für uns.

SZ: Makaay hat allerdings nicht gerade wuchtigen Einsatz dagegengehalten. Darüber schien auch Felix Magath überhaupt nicht erfreut zu sein.

Rummenigge: Ich glaube nicht, dass man das jetzt an einem einzelnen Spieler ausmachen sollte.

SZ: Dann machen wir eine Einzelkritik mit den Spielern, die gar nicht gespielt haben: Deisler und Schweinsteiger scheinen ein wenig den Anschluss zu verlieren.

Rummenigge: Glaube ich nicht. Der Schweini hat doch die ganze Zeit gespielt, Sebastian Deisler war vor einer Woche in Berlin dabei. Ich sehe das nicht so dramatisch. Sie müssen sich halt dem Trainer so anbieten, dass er nicht an ihnen vorbeikommt. Felix Magath lässt sie ja nicht deswegen draußen, weil er sie nicht mag.

SZ: Aber Deisler wird dadurch nicht besser, dass er nur noch zuschaut. Und auf der Tribüne saß Jürgen Klinsmann, der ist auch nicht sehr froh.

Rummenigge: Aber es ist doch erst Februar. Da gibt es noch genügend Möglichkeiten für jeden Spieler, sich für die WM anzubieten. Und wir haben ja nicht bloß elf Nationalspieler, die zur WM wollen, sondern 13.

SZ: Da es im Europacup nun ein jähes Ende geben könnte: Sehen Sie die Gefahr, dass der FC Bayern trotz des möglichen Gewinns der 20. Meisterschaft dieser Saison nicht mehr froh wird?

Rummenigge: Die Sorge teile ich überhaupt nicht. Ich wusste ja vorher, dass es ein sehr, sehr enges Duell mit Mailand werden würde. Deshalb war ich weder von dem wechselhaften Spiel überrascht noch davon, dass wir kein Wunschergebnis erreicht haben. Aber selbst wenn jetzt in Mailand der schlimmste Fall eintreten würde: Deshalb wäre die Saison für uns nicht verloren. Wir haben die Meisterschaft und den Pokal zu verteidigen. Aber dieses Szenario will ich noch gar nicht an die Wand malen: Wir haben eine ordentliche Chance - und die werden wir auch nutzen.

SZ: Kann das Überstehen der Station in Mailand der Mannschaft eine besonderen Schub geben?

Rummenigge: Habe ich immer gesagt: Wenn wir da durchkommen, dann gibt es eine gute Chance, ganz weit zu kommen. Aber Mailand gehört eben zu den vier, fünf großen Favoriten auf den Titelgewinn. Wir haben eine Außenseiterchance - nicht mehr, nicht weniger. Es ist trotzdem schade, dass es bereits im Achtelfinale ein Spiel zwischen Bayern und Milan geben musste. Oder Chelsea gegen Barcelona: Dass solche Top-Duelle bereits in der ersten K.o.-Phase stattfinden, halte ich für verfrüht. Mein Mailänder Kollege Galliani und ich haben darüber beim Mittagessen mit Lennart Johansson (Uefa-Präsident) gesprochen. Wir haben ihm gesagt, dass wir dafür sind, eine Setzliste einzurichten. Er scheint da aufgeschlossen zu sein.

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