Karl-Heinz Rummenigge im Interview:"Herr Schäuble hätte sich gefreut"

Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge über Ribérys Verbleib, die anstehenden Veränderungen in der Meistermannschaft und die Vertragsgespräche mit Louis van Gaal.

A. Burkert und L. Schulze

SZ: Herr Rummenigge, ist der Schmerz der Niederlage gegen Inter zwei Tage nach dem Finale immer noch so groß wie direkt nach dem Spiel?

Bayern Muenchen Banquet

Karl-Heinz Rummenigge.

(Foto: getty)

Rummenigge: Es ist doch immer so im Fußball, dass einem erst in den Tagen danach richtig klar wird, dass man verloren hat, nein besser, was man nicht erreicht hat, was man dem Klub, der Mannschaft und den Fans gewünscht hätte. Aber das nützt nichts, wir werden die Champions League in diesem Jahr nicht mehr gewinnen. Damit muss man sich abfinden.

SZ: Gibt es Lehren und Konsequenzen, die man aus diesem Spiel ziehen kann?

Rummenigge: Nein. Wir haben in diesem Jahr Gigantisches erlebt. Wir haben das Double gewonnen, standen im Finale der Champions League, haben Mannschaften wie Juventus Turin, Florenz, Manchester United und Lyon rausgeworfen. Und dann muss man auch mal erkennen, dass die andere Mannschaft im Finale besser war. Meine Philosophie war schon als Spieler, eine Niederlage zu akzeptieren, wenn der andere besser ist. Und Inter Mailand war an diesem Abend etwas besser als wir.

SZ: Das hatte Gründe. Nicht alle Spieler haben bestätigt, was sie im Verlauf der Saison gezeigt haben.

Rummenigge: Das hat auch immer etwas mit dem Gegner zu tun. Inter hat die beste Defensive, die die Fußballwelt im Moment zu bieten hat. Was uns zuletzt immer ausgezeichnet hat, war, dass wir stets dominant gespielt haben. Das ist uns zwar auch am Samstag gelungen mit 67 Prozent Ballbesitz, aber wir haben daraus nur wenige Chancen kreiert.

SZ: Wenn man auf diesem Niveau angekommen ist, besteht die Kunst darin, dort zu bleiben. Wird sich deshalb das Gesicht des Teams doch etwas verändern?

Rummenigge: Ich bin der Meinung, dass wir einen sehr guten Kader haben. Wir werden sicherlich demnächst mit dem Trainer reflektieren, was getan werden muss für die nächste Saison, um die Qualität zu konservieren oder sogar zu verbessern. Wir haben ja diese tollen Spieler wie Franck Ribéry und Arjen Robben schon, und wir haben die Spieler aus dem eigenen Nachwuchs wie Philipp Lahm oder Bastian Schweinsteiger, die sich in diesem Jahr noch weiterentwickelt haben -, und dann eben die ganz jungen Burschen wie Müller oder Badstuber, die es sogar geschafft haben, mit der Nationalelf zur WM zu gehen. Wir sind gut beraten, sehr sensibel mit Veränderungen umzugehen.

SZ: Sie möchten also nicht durch weitere Zukäufe das Wachstum dieser Mannschaft behindern?

Rummenigge: Wir haben ja an älteren Spielern über 30 nur Torwart Jörg Butt, Daniel van Buyten und Mark van Bommel. Selbst arrivierte Spieler wie Philipp Lahm oder Bastian Schweinsteiger sind gerade einmal Mittzwanziger. Auch Franck Ribéry und Arjen Robben sind ja nicht am Ende ihrer Karriere, sondern mittendrin. Toni Kroos und Breno kehren zudem zurück, mit ihnen plant der Trainer perspektivisch. Das wird auch der Qualitätsverbesserung dienen. Was wir darüber hinaus machen, steht unter dem Aspekt einer hohen Qualitätsverbesserung. Ich weigere mich jedenfalls, mit Einkäufen Effekthascherei zu betreiben. Real Madrid ist da kein gutes Beispiel. Wenn man Geld ausgibt, muss man dies sehr konzentriert tun, wie wir es mit Robben getan haben.

SZ: Die Vertragsverlängerung von Franck Ribéry dürfte zudem so viel wert sein wie ein starker Zugang, er hat ja doch recht wenig gespielt.

Rummenigge: Uli Hoeneß und ich haben schon im letzten Jahr gesagt, als die großen Offerten aus England oder Madrid kamen: Nein, wir werden alles tun, dass er hier bleibt. Die besten Spieler müssen bei Bayern München bleiben, wir wollen nicht mit diesen Spielern Kasse machen. Wäre Ribéry gegangen, hätte sich Herr Schäuble als Finanzminister über eine große Steuereinnahme von Bayern München gefreut. Aber unsere Fans wären zu Recht enttäuscht gewesen.

SZ: Wie steht es um eine Rückkehr von Andreas Ottl aus Nürnberg?

Rummenigge: Da ist noch keine konkrete Absprache getroffen. Wir werden in den nächsten Tagen ein Gespräch führen, ob Andreas dort bleiben möchte oder irgendwo anders hin will, wo er garantiert zum Zug kommt. Die Nürnberger sind hochzufrieden mit ihm, und er fühlt sich dort sehr wohl.

Klartext mit Luca Toni

SZ: Ottls Situation dürfte auch davon abhängen, was aus Anatolij Timoschtschuk wird.

Rummenigge: Ja, wir müssen uns auch wegen ihm im Verlauf dieser Woche mit dem Trainer zusammensetzen und den Kader für die kommende Saison planen. Danach geht van Gaal in Urlaub.

SZ: Gibt es für den bislang an AS Rom ausgeliehenen Luca Toni, der aber noch beim FC Bayern unter Vertrag steht, schon eine neues Angebot?

Rummenigge: Nein, derzeit nicht. Aber das haben wir auch nicht erwartet. Ich hatte vor zwei Wochen ein Gespräch mit seinem Agenten. Der hat mir mitgeteilt, dass Luca gerne in Italien bleiben würde. Und ich habe ihm mitgeteilt, dass es für ihn beim FC Bayern wohl keinen Sinn mehr macht. Beide Seiten haben Klartext geredet.

SZ: Wann werden Sie denn mit van Gaal die Gespräche wegen seiner Vertragsverlängerung beginnen? Sein Vertrag ist ja nur noch ein Jahr gültig.

Rummenigge: Im Moment will er noch gar nicht mit uns verhandeln. Ich habe den Eindruck, er möchte erst einmal abschalten, er ist ja auch bis an die Grenze der Belastbarkeit gegangen. Seit Januar hatten wir ja eine Schlagzahl, die oberhalb der Schmerzgrenze war. Wir alle sind jetzt ziemlich kaputt. Wir sind aber mit der Arbeit von Louis van Gaal total zufrieden, wir haben absolutes Vertrauen. Und wenn er uns ein Signal gibt, steht den Gesprächen nichts im Wege. Wir streben auch auf der Trainerposition Kontinuität an. Es ist ja historisch belegt: Wenn wir Kontinuität auf der Trainerposition hatten, hatten wir Erfolg.

SZ: Sie würden also gerne verlängern.

Rummenigge: Ja, wie gesagt: Dem steht von unsere Seite nichts entgegen.

SZ: Im November vergangenen Jahres hatten viele Leute die Befürchtung, dass eine Lücke entstehen würde, als Uli Hoeneß vom Manager- auf den Präsidentenposten wechselte. Die Außenwirkung lässt diesen Eindruck bisher nicht zu.

Rummenigge: Ich hatte diese Befürchtung nicht. Uli ist ein sehr aktiver Präsident, die Zusammenarbeit ist auf allen Ebenen weiterhin sehr intensiv. Was wir im vergangen halben Jahr geschafft haben, ist, dass wir eine geschlossene und harmonisch Familie geworden sind. Wir treten auch nach außen hin als Einheit auf. Das war nicht immer so.

SZ: Auch Sie scheinen sich verändert zu haben.

Rummenigge: Es war ja klar, dass im Tagesgeschäft Dinge von mir und Karl Hopfner (Finanzvorstand; Anm. d. Red) übernommen werden müssen. Die Zusammenarbeit im Vorstand mit Hopfner funktioniert wunderbar. Und ehrlich gesagt: Ich gehe heute mit mancher Schlagzeile, die mich früher fürchterlich aufgeregt hat, gelassener um. Am 1. Januar nimmt man sich ja immer etwas vor, was man dann meistens nicht schafft. Ich habe mir dieses Jahr vorgenommen, etwas gelassener mit vielen Dingen umzugehen.

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