An diesem Donnerstag wird Didier Deschamps, 47, sein Aufgebot für das Länderspiel gegen Deutschland am 13. November im Stade de France bekannt geben. Wie immer lädt der französische Nationaltrainer in die Zentrale des Verbandes FFF in Paris, um "La Liste de Didier Deschamps" zu enthüllen. Und auch wenn es nur um ein Freundschaftsspiel geht: Deschamps' Spielerliste wird wie immer Anlass geben für Debatten. Wer ist dabei? Wer fehlt - und warum?
Um sich einen Eindruck zu verschaffen, welche Fußball-Themen Frankreich am Tag vor der Verkündigung bewegten, musste man am Mittwoch auf der Homepage der Fachzeitschrift L'Équipe nur einen Blick auf das Klick-Ranking werfen. Rang eins: die Champions-League-Niederlage von Paris Saint-Germain (PSG) bei Real Madrid.
Das 0:1 am Dienstag hatte insofern mit Deutschland zu tun, als dass Kevin Trapp, der deutsche Torwart von PSG, für das einzige Tor des Abends (Nacho, 35.) verantwortlich gemacht wurde, weil er orientierungslos durch den Strafraum gestolpert war. Mehr als 200 000 Menschen haben sich "La boulette de Kevin Trapp", den Klops von Trapp, am Mittwoch im Video angesehen. Möglicherweise muss der von Eintracht Frankfurt an die Seine gewechselte Torwart seinen Platz demnächst für den Italiener Salvatore Sirigu räumen. Didier Deschamps wäre das sicher egal.
Das andere Thema des Tages, bei L'Équipe auf Rang zwei, hat hingegen das Potenzial, sich als Schatten über die Europameisterschaft 2016 zu legen - und damit über Deschamps' Mission, nach dem WM-Titel 1998 (als Kapitän) auch beim nächsten Heim-Turnier den Titel zu gewinnen. Es geht um ein Sexvideo und einen Erpressungsversuch. Und die Frage ist, welche Rolle jener Mann in der pikanten Geschichte spielt, der für die Équipe Tricolore die Tore schießen soll: Karim Benzema, 27.
Zuletzt in zwölf Spielen ein Tor
Der Stürmer von Real Madrid wurde am Mittwoch in Versailles in Polizeigewahrsam genommen, morgens gegen neun Uhr. Im Netz kursierte bald ein Videoschnipsel, wie sich im "Hotel de Police" schwere Holztore hinter einem Mann schließen, der im blütenweißen Trainingsanzug erschienen war. Die Behörden bestätigten die Festnahme, wollten aber keine Details nennen. Unklar blieb zunächst auch, wie lange Benzema festgehalten werden sollte. Klar ist aber: Die Ermittler wollen wissen, welche Rolle er im Zusammenhang mit einer Erpressung seines Nationalmannschaftskollegen Mathieu Valbuena, 31, spielt.
"Überhaupt keine Rolle", sagte am Mittwoch Benzemas Anwalt Sylvain Cormier und verwies darauf, dass der Stürmer zu der Befragung erschienen sei, um so zeitig wie möglich klarzustellen, dass er sich "absolut nichts vorzuwerfen" habe. Valbuena, Nationalspieler in Diensten von Olympique Lyon, war im Sommer mit einem Sex-Video unter Druck gesetzt worden, das ihn mit einer jungen Frau zeigen soll. Drei mutmaßliche Erpresser, die von Valbuena 150 000 Euro gefordert haben sollen, sitzen seit kurzem in Untersuchungshaft. Auch der frühere Nationalspieler Djibril Cissé war kurzzeitig verhaftet und verhört worden, kam aber wieder frei.
Benzema soll Valbuena am Rande zweier Länderspiele Anfang Oktober auf das Video angesprochen haben. Die Ermittler wollen wissen, ob er von den mutmaßlichen Erpressern als Vermittler benutzt werden sollte - ob Benzema Valbuena also zur Zahlung drängen wollte, oder ob die Aussagen ohne Hintergedanken gefallen waren. Valbuena hat das Gespräch offenbar als Bedrohung empfunden. Benzema soll von seinem Bruder von dem Video erfahren haben, dieser wiederum soll Kontakt zu einem der Drahtzieher gehabt haben - das berichtet die Nachrichtenagentur AFP mit Verweis auf Ermittlerkreise.
Weil Karim Benzema noch eine Oberschenkelzerrung auskuriert, stand er am Dienstag nicht im Kader von Real beim Spiel gegen Paris. In der Nationalelf war er zuletzt Dauerthema, weil ihm in den letzten zwölf Spielen nur ein Tor gelang. Für Deschamps ist er trotzdem "unser wichtigster Stürmer".