Kap Verde beim Afrika-Cup:Crashkurs bei Mourinho

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Plötzlich im Viertelfinale: Platini (rechts) von den Kapverden.

(Foto: AFP)

Die Kapverden sind nicht nur die entlegenste, sondern auch die kleinste Nation, die je am Afrika-Cup teilgenommen hat. Nun steht der Debütant mit einer Mannschaft voller Unbekannter überraschend im Viertelfinale.

Von Kathrin Steinbichler

Auf den Kapverden sind sie es gewohnt, dass es meist etwas länger dauert, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Aus 15 kleinen Inseln besteht der Archipel vor der Westküste Afrikas, nur neun von ihnen sind bewohnt. Die Sängerin Cesária Évora etwa, die mit ihren sanften Klageliedern weltberühmt wurde, war erst mit 47 Jahren von einer Plattenfirma entdeckt worden. Mit ihrem Tod 2011 verschwanden auch die Kapverden wieder von den öffentlichen Bühnen der Welt. Hinein in eine gefühlte Bedeutungslosigkeit, wie sie auch die Fußballer des kleinen Archipels bisher nicht anders kannten.

Auf dem Festland, dem Rest von Afrika, werden die Bewohner des Inselstaates Kap Verde leicht abschätzig "Insulaner" genannt, allein schon ihre erstmalige Qualifikation für den Afrika-Cup, bei der sie Kamerun aus dem Wettbewerb warfen, war als Sensation gewertet worden. Schließlich ist Kap Verde mit rund einer halben Million Einwohnern nicht nur die entlegenste, sondern auch die kleinste Nation, die je am Afrika-Cup teilgenommen hat. Nun aber, am Sonntagabend, war das Unfassbare geschehen. Und so begann Trainer Lucio Antunes zu singen, mitten hinein in die Pressekonferenz nach dem Spiel.

Kurz zuvor hatte Kap Verde das letzte Vorrundenspiel gegen Angola gedreht, zwei späte Treffer nach einem frühen Eigentor sicherten den ersten Sieg des Turniers und damit auch den historischen Einzug ins Viertelfinale. Wobei: Historisch ist für Kap Verde bei der Afrika-Cup-Premiere ohnehin alles.

Mögen Fußballgrößen wie die Elfenbeinküste, Algerien, Ghana und Tunesien mit Eifer um den Titel kämpfen - für Kap Verde ist dieses Turnier ein freudiges Fest. Eines, das schon durch das 1:1 zum Auftakt gegen Gastgeber Südafrika und das 0:0 gegen das aus Sicht des Inselstaates große Marokko zu Hause ausgiebig gefeiert wurde. Dass Kap Verde nun mit dem 2:1 gegen Angola die K.-o.-Runde der letzten Acht erreicht haben, die am Samstag beginnt, übersteigt alle bisherigen Vorstellungen von Erfolg.

Was wohl noch kommen mag?

Getragen wird die Mannschaft von Spielern wie dem 26-jährigen Luis Platini, der es bislang gerade in die zweite portugiesische Liga zu CD Santa Clara auf den Azoren gebracht hat. Doch Trainer Antunes hat es geschafft, seine Spieler davon zu überzeugen, dass sie mehr können, als ihnen andere zutrauen. Er hat es selbst ausprobiert.

Denn um vor der Turnierpremiere alle Möglichkeiten zur Vorbereitung ausgeschöpft zu haben, hatte Antunes extra ein Kurzpraktikum bei José Mourinho absolviert. Anfang Dezember durfte der 46-Jährige eine Woche lang den Trainer von Real Madrid bei der Arbeit begleiten. Danach war er ein Fan des Portugiesen, der sich als Solitär versteht. "Es war eine Art Crashkurs. Ich habe phantastische Erfahrungen gesammelt", erzählte Antunes der Sportzeitung A Bola. Vor allem aber lobte er Mourinho: "Er hilft gerne Leuten, die weniger Ahnung haben - wie mir zum Beispiel."

Auch andere Nationen erleben beim Afrika-Cup gerade Überraschungen. Die Elfenbeinküste etwa machte Didier Drogba gegen Tunesien zum Einwechselspieler und steht dennoch durch ein 3:0 schon jetzt in der nächsten Runde. Die unterlegenen Nordafrikaner müssen nun in der Gruppe D wie auch Algerien um das Weiterkommen bangen. Dafür schickt sich das kleine Burkina Faso an, die Gruppe C noch vor dem erstarkten Sambia und Altmeister Nigeria zu gewinnen. Anders als noch bei der WM 2010 hat es Südafrika diesmal durch ein 2:2 gegen Marokko im letzten Gruppenspiel geschafft, als Gastgeber weiter im Turnier zu bleiben.

Wer und was nun noch kommen mag, war Lucio Antunes am Sonntag aber egal. Mit dem Schlusspfiff rannte er los und wirbelte mit einer großen Landesflagge durch das dünn besuchte Nelson-Mandela-Bay-Stadion in Port Elizabeth. Selbst bei der Pressekonferenz hatte er sich noch nicht wieder beruhigt. Mitten im Satz unterbrach er sich und sang auf Kreol, der Landessprache auf portugiesischer Grundlage, einige Zeilen aus der "Biography of a Crioulo". "Das ist ein traditionelles Lied, ich widme es den Leuten zu Hause", sagte er. Dann klatschten die Menschen im Raum Beifall.

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